Dem Blutkrebs in der Elbmarsch auf der Spur

■ Blutuntersuchungen sollen Leukämie-Fälle klären

Noch vor Beginn der Sommerferien und damit schneller als bisher geplant wird ein neuer Anlauf gestartet, um die Ursachen für die rätselhäfte Häufung von Leukämieerkrankungen bei Kindern in der Elbmarsch zu klären. Vier unabhängige Institute sollen das Blut von insgesamt 60 Kindern aus der niedersächsischen Elbmarsch und dem Landkreis Plön (Schleswig-Holstein) untersuchen, sagte am Mittwoch die zuständige Abteilungsleiterin bei der Lüneburger Bezirksregierung, Elke Sellmann. Ergebnisse werden wegen der komplizierten Untersuchungen nicht vor einem Jahr erwartet.

Experten der Universität Bremen, des Instituts für Strahlenhygiene, der Gesellschaft für Strahlenforschung in Neuherberg bei München, des Bundesgesundheitsamtes sowie niedersächsischer und schleswig-holsteinischer Behörden hatten am Dienstag das Untersuchungsprogramm beraten. Um völlige Neutralität zu garantieren, wird das „Blinding-Verfahren“ verwendet, bei dem die Institute keine Informationen über die Herkunft der Proben haben. Das Projekt wird vom Staatlichen Medizinaluntersuchungsamt Lüneburg geleitet.

Untersucht werden 30 Kinder aus den Orten, in denen Kinder an Leukämie erkrankt sind. Insgesamt leben in der Gemeinde 1 300 Kinder im Alter bis zu 15 Jahren. Ebenfalls 30 Kinder dieser Altersgruppe werden im Kreis Plön freiwillig untersucht. Plön ist vom Leiter des Kinderkrebsregisters Mainz als „Referenzort“ wegen seiner demographischen und siedlungsstrukturellen Vergleichbarkeit mit der Elbmarsch ausgesucht worden.

Die Blutproben sollen am 1. und am 10. Juni entnommen werden. Anschließend werden Blutpräparate hergestellt und von den vier Instituten bewertet. Dabei müssen unter anderem 60 mal Tausende von Zellen ausgezählt werden. „Da von 10.000 Metaphasen jeder Blutprobe nur rund 1.000 brauchbar sind, werden wir nicht vor einem Jahr ein Ergebnis vorliegen haben können“, sagte Dr. Michael Csicsaky vom Sozialministerium in Hannover.

Anlaß für die Vergleichsuntersuchungen sind die Forschungsergebnisse der Bremer Physikerin Inge Schmitz-Feuerhake. Die Professorin hatte die These vertreten, daß die Häufung von sechs Kinderleukämieerkrankungen und zwei Todesfällen auf eine „kollektive radioaktive Verseuchung“ zurückzuführen ist. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, so ihre These, habe „jemand etwas abgelassen, weil er glaubte, daß es nicht auffallen würde“. Bei ihren Untersuchungen von fünf gesunden Geschwistern von leukämiekranken Kindern hatte sie bei drei Kindern „dizentrische Chromosomen“ gefunden, nach ihrer Auffassung doppelt so viele wie normal. dpa