STANDBILD
: Vom Medium überwältigt

■ "Parlazzo", West3, Mittwoch, 20Uhr

Die Idee, Medienthemen gesprächseise in einer Live-Sendung vor Publikum zu präsentieren, ist nicht schlecht. Fast scheint ein weiterer Beleg für die These gegeben, daß Fernsehen — analog zu Hollywood — häufig am besten ist, wenn es sich mit sich selbst beschäftigt. Amüsant war's, wie Martin Lüttge als neuer Tatort-Kommissar und Schimanski-Nachfolger vorgestellt wurde, die hauseigene Lindenstraße der neuen täglichen soap opera von RTLplus gegenübergestellt und an den „Fernsehmythos“ Der Kommissar erinnert wurde, wobei Fritz Wepper das Geständnis ablegte, daß Horst Tappert und er gern einmal ihre eigenen Rollen persiflieren würden.

So weit, so nett. Unangenehm wird Moderatorin Bettina Böttinger jedoch, wenn sie Studiogästen ihre eigene Meinung in den Mund legt. Besonders kraß und undistanziert nahm sie Partei im Rededuell Groebel gegen Glogauer. Der Pädagogikprofessor Glogauer eifert seit längerem gegen Gewaltdarstellungen im Fernsehen und reist mit diesem Sujet durch die Talkshows. Wie sein Gegenüber, der Medienpsychologe Groebel, ausführte, seien explizite Gewaltdarstellungen sicherlich kritikwürdig — jedoch müsse auch das soziale Umfeld der Kids berücksichtigt werden.

Glogauer jedoch scheint förmlich von einer Medienparanoia besessen. „Die Eltern“, so jammert er beifallheischend ins Publikum, „werden überwältigt vom Medium Fernsehen.“ Bildhaft steht es uns vor Augen: Vater und Mutter liegen, überwältigt von der Grundig-Bildkommode, gefesselt und geknebelt in der Wohnzimmerecke, während Sohnemann & Töchterchen vergnügt fernsehen. Das kann Folgen haben. Bitte, Herr Glogauer, Ihr Fallbeispiel. „Das war ein Jugendicher, der (...) ist Außenseiter geworden durch Erziehung, durch Schule und hat sich dann so intensiv mit diesem Rambo identifiziert, daß er dessen Verhaltens- und Kampftechniken verinnerlicht hat, automatisiert hat.“ Niemand fragt nach, ob da nicht eher Schule und Elternhaus die Schuld tragen, wenn der betreffende Jugendliche nach einem Streit seinen Zimmergenossen ermordet. Einige Male zeichnet sich die ganze Lächerlichkeit Glogauers ab, wenn er etwa „Speedmetal“ mit „Beschleunigungsblech“ übersetzt und von unterschwelligen Botschaften faselt. Unkorrigiert darf er behaupten, „in den Privatsender kommt ein indizierter Videofilm nach dem anderen“ — ein Vergleich der ausgestrahlten mit den indizierten Fassungen würde ihn eines besseren belehren.

Gröbster Unfug kommt ihm gerade recht: „Und wir wissen doch, das wird nach zehn ausgestrahlt, und wer sitzt denn nach zehn noch vor dem Fernseher? Ja, heute die Sieben-, Sechsjährigen.“ Wenn Bettina Böttinger dem Verwirrten nicht einige Male rettend ins Wort gefallen wäre, hätte er noch größeren Unsinn verzapft. Meist ersetzte sie Sachwissen durch Lautstärke und vergab damit die Chance, die kontroverse Diskussion in konstruktive Bahnen zu leiten. Herr Dittmeyer