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Der Puck springt anders

Eishockey-WM, Viertelfinale: Früher Abschied für die Olympiafinalisten aus Rußland (0:2 gegen Schweden) und Kanada (3:4 gegen Finnland)  ■ Aus Prag Xaver Unfried

Wie das im Leben so ist: Die einen dürfen noch bleiben, die anderen müssen schon gehen. Und unter denen, die gehen müssen, trifft es stets die am härtesten, die nicht so richtig damit gerechnet hatten.

„Wenn du nicht gut genug bist, um zu gewinnen, gewinnst du auch nicht“, sagte Terry Crisp, Kanadas Assistenzcoach nach dem 3:4 gegen die Finnen. Mehr war nicht zu sagen zu einer Mannschaft, die sich im letzten Moment noch vier NHL-Verstärkungen hatte einfliegen lassen, die den müden Haufen Mittelmaß aber auch nicht mehr retten konnte.

Und die Russen, die Olympiasieger? Verloren gegen die bis dato alles andere als weltmeisterlichen Schweden (0:2), wirkten in der mit Schweden vollen Prager Eishalle hypernervös, spielten vor allem im letzten Drittel, als es darauf ankam, einfach keine Chancen heraus, kurz: Sie waren nicht gut genug. Und Viktor Tichonow, der eiserne Genosse, schaute, die Arme über der Brust verschränkt, zu. Und hinterher sprach Gospodin Viktor kein einziges Wort. Auch er wird wohl zu jenen gehören, die gehen und nicht mehr zurückkommen. Immerhin ist es das erste Mal seit ihrem weltmeisterlichen Einstieg 1954, daß die Russen ohne Medaille heimfahren. Wie wird man da in der Heimat reagieren? Igor Dimitriew, der Assistent Tichonows und sein möglicher Erbe, weiß es: „Anders als sonst.“

Vielleicht ist ja doch alles anders diesmal. Die Finnen zum Beispiel sind immer noch sehr lebendig, womit wiederum einige nicht, sie selbst anscheinend aber sehr wohl gerechnet hatten. Denn ihr Sprachrohr Sakari Pistilä sagt nach jedem Spiel im Prinzip dasselbe. Dieses nämlich: Wir waren schneller, wir spielten besser, der Sieg war verdient. Und tatsächlich: Der Mann hat recht! Die Finnen, die seit ihrer ersten WM- Teilnahme 1939 nichts als allerbestens vierte Plätze gewonnen haben, den letzten davon vor sechs Jahren, scheinen alles richtig zu machen. Ihre eingespielte Mannschaft bestimmt stets das Spiel, ist dabei aber immer vorsichtig genug, nicht in Konter zu irren, läßt sich nicht vom Gegner beeindrucken, ist aber auch immer klug genug, sich auf den jeweiligen Opponenten einzustellen. Hat eine richtige Mischung zwischen alt und jung und so weiter. Und extra fürs Spiel gegen die großen Kanadier holten sie den Rechtsaußen Peltomaa aus Helsinki, weil, wie Pictilä sagte, der „so einer ist, der kanadisches Hockey spielen kann“. Und? Peltomaa machte drei der vier Tore, obwohl er gar kein ausgesprochener Scorer ist, normalerweise.

Aber was ist schon noch normal in Prag? Normal war früher, daß Finnland leicht die Nerven verlor. Jetzt ist das anders. Christian Ruuttu, der Center aus Buffalo: „Wir haben sehr viel Selbstvertrauen und behalten die Nerven, wenn wir unter Druck sind. Das gilt auch für die jüngeren Spieler.“ Jene, wie der in der Schützenliste führende 20jährige Jarkko Varvio, haben zum großen Teil bei der letzten Junioren-WM herausgefunden, wie gut sie sind und zeigen das nun eine Stufe höher. Und die Älteren, zu denen der 28jährige Ruuttu gehört, „stärken dieses Selbstvertrauen auch, indem wir ihnen zeigen, wo's lang geht.“ Aber Ruuttu, der mit seinen langen, blonden Haaren aussieht wie ein Teenie-Idol, aber mit sechs Runden in Nordamerikas Superliga bereits NHL-Veteran ist, weiß aus Erfahrung auch Erfolgsbegründungen zu relativieren: „Es ist ganz einfach so, daß der Puck im Moment eben auch dahin springt, wohin wir ihn haben wollen.“

Hüpft der Hartgummi vielleicht überhaupt anders, als er bisher zu hüpfen pflegte im Welteishockey? So weit wollen die Finnen nun auch nicht gehen, schließlich gehörten sie nach eigener Meinung eigentlich immer zu den besseren. Und die Balance? Die sei nur deshalb durcheinander geraten, weil Kanada nicht mit dem stärksten Team da war, glaubt Ruuttu. Die Folge: „Unser Team war sehr enttäuscht, daß wir, obowhl wir alle Spiele gewannen, gegen Kanada spielen mußten.“ Gewohnheitsmäßig ein Riese. „Insbesondere, wenn man bedenkt, daß im anderen Viertelfinale Deutschland gegen die Schweiz spielte!“ Gewohnheitsmäßig zwei Gurken.

Während auch die Russen in der Zunge des Igor Dimitriev mit einem ein solches Spiel ermöglichenden System haderten, hatte man andernorts dem Wind der Veränderung erstaunlich schnell Rechnung getragen. „Wir brauchen uns nicht zu schämen“, verkündete Kanadas Terry Crisp, „wir sind an einer besseren Mannschaft gescheitert.“ Finnland eben. Suomi ahoi, servus Kanada. „Ich wünsche einen schönen Sommerurlaub“, verabschiedete der Finne Pietilä die Nordamerikaner kurz und bündig.

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