: PKK verläßt ihr Camp im Libanon
Türkischer und amerikanischer Druck veranlaßten die syrische Regierung offenbar zum Rauswurf der PKK/ Spekulationen über das neue Hauptquartier der Guerilla/ Neue Angriffe der türkischen Armee ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren
Das Ausbildungslager der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) in der von Syrien kontrollierten Bekaa-Ebene im Libanon ist laut Agenturmeldungen geräumt worden. Auch das Beiruter Radio bestätigte, daß die PKK- Militanten die Bekaa-Ebene verlassen haben. Die sogenannte „Mahsun Korkmaz Akademie“, die seit 1982 existiert und wo halbjährlich rund 600 Guerilleros ausgebildet wurden, war das Zentrum der Organisation, die in der Türkei einen bewaffneten Kampf für ein unabhängiges Kurdistan führt. Der legendäre Chef der PKK, Abdullah Öcalan, dirigierte von hier aus die Guerillaktivitäten in der Türkei. Journalisten berichteten, daß in dem Lager die Flagge der PKK heruntergeholt sei. Militante der palästinensischen „Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas“ hätten das Lager übernommen.
Ein PKK-Militanter mit dem Code-Namen Kani wird zitiert: „Wir haben das Lager geräumt. Ich und meine Freunde sind nur hier, um persönliche Gegenstände abzuholen.“ Die Räumung sei aufgrund einer Weisung der PKK-Zentrale zustandekommen. „Wir haben den Befehl, das Lager in unserem Vaterland neu aufzuschlagen“, berichtete das PKK-Mitglied, der davon sprach, daß in Kurdistan „elf Militärlager existieren“ würden. Weder die europäische Vertretung der PKK noch die türkischen Politiker, die einen „Vernichtungsfeldzug“ gegen die PKK angekündigt haben, bestätigten die Räumung des PKK-Lagers. „Mir liegen keine Informationen vor“ sagte der türkische Ministerpräsident Süleyman Demirel. Die Räumung des PKK-Lagers ist offensichtlich Folge politischen Druckes der Türkei auf Syrien.
Im April war der türkische Innenminister Ismet Sezgin nach Damaskus gereist. Er forderte den syrischen Präsidenten Hafiz Assad auf, die PKK-Lager zu schließen. „Ich möchte den Beweis, daß sie kein terroristisches Land sind“, hatte damals der türkische Innenminister gesagt. In einem gemeinsamen Protokoll machte Syrien die Zusage, gegen die PKK vorzugehen. „Jetzt ist es nicht mehr nötig, die Bekaa-Ebene zu bombardieren“, frohlockte der türkische Verteidigungsminister Nevzat Ayaz nach den Gesprächen in Damaskus. Die US-syrische Annäherung während des Golfkrieges hat ganz sicherlich die syrische Haltung beeinflußt.
Sollte die PKK ihre syrische Unterstützung tatsächlich verlieren, wäre dies ein großer Schlag gegen die Organisation. Der in Türkisch- Kurdistan mit ungeheuren Vollmachten ausgestattete Regionalgouverneur Ünal Erkan sprach von einer „erfreulichen Entwicklung“. Aufgrund der grenzüberschreitenden Operationen der türkischen Armee in den Nordirak und aufgrund des feindlichen Verhältnisses der irakischen Kurden zur PKK rechne er nicht damit, daß die PKK ihre Zentrale im kurdischen Nordirak errichte. Er halte es für realistischer, daß die PKK-Militanten in die Türkei oder in den Iran gehen. Unterdessen werden in der türkischen Presse Spekulationen darüber angestellt, wo sich künftig die PKK-Zentrale befinden wird. Man mutmaßt, daß Griechenland, Südzypern oder der Iran künftig die Guerilleros beherbergen wird. Die türkische Armee setzte auch gestern ihre Bodenoperationen auf irakischem Gebiet fort, die sie am Mittwoch eingeleitet hatte. Ziele der Angriffe sind nach zuverlässigen Angaben aus der Grenzregion die Lager der PKK jenseits der Grenze. Vertreter mehrerer Kurdenorganisationen, der Grünen und der deutschen Gewerkschaft IG Medien protestierten am Donnerstag vor dem Straßburger Europapalast gegen den Vorsitz der Türkei im Europarat, deren Außenminister den Posten turnusgemäß für sechs Monate übernahm. Ziel des Europarates sei vor allem die Durchsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention, die auch von der Türkei unterzeichnet wurde, hieß es auf einem Flugblatt der Demonstranten. In der Türkei würden die Menschenrechte aber „fortwährend verletzt“, vor allem die Grundrechte der kurdischen Minderheit im Südosten des Landes. Der Europarat müsse daher umgehend die Mitgliedschaft der Türkei suspendieren.
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