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Der ÖTV-Abschluß steckt auch für die Metallbranche den Tarifrahmen ab

■ Pilotfunktion ist trotz aller Arbeitgeberdementis unvermeidlich/ Die Tarifrunde von 1974 könnte das Muster sein/ Ein Streik käme beiden Tarifparteien teuer

Bochum (taz) — Hans-Joachim Gottschol, neugewählter Präsident von Gesamtmetall, prophezeit seit Wochen Härte im diesjährigen Tarifkampf. Ihm geht es um die „Trendwende“ in der Lohnpolitik. Der diesjährige Lohnzuwachs für die Metall- und Elektroindustrie, die rund 4 Millionen Menschen beschäftigt, müsse „sehr deutlich unter dem letztjährigen Abschluß“ in Höhe von 6,7% liegen. Sein Kommentar zum Stuttgarter Abschluß: Wenn die IG-Metall diesen als Richtschnur nehme, „dann müssen und werden wir einen Konflikt annehmen“, sagte Gottschol in Köln. Lorenz Bruckhues, IG-Metall-Bezirksleiter aus Dortmund, der den neuen Metall-Präsidenten aus zahlreichen regionalen Tarifgesprächen kennt, nennt Gottschol einen „Falken“, der maßgeblich für das von den Gewerkschaftern als „Provokation“ bewertete 3,3%-Angebot veranwortlich sei. Wenn es dabei bleibe, sei die IG Metall gezwungen, dem “ Falken“ die „Flügel zu stutzen“.

Nimmt man die Erfahrungen der Vergangenheit zum Maßstab, dann hat die ÖTV dies schon übernommen. 1974, beim letzten Streik im öffentlichen Dienst, ging es auch ganz schnell. Nur wenige Tage nach dem 11%-Abschluß im öffentlichen Dienst folgte die Einigung in der Metallindustrie, in der zuvor schon über den Streik abgestimmt worden war. Das Ergebnis fiel sogar noch höher aus: 11 Prozent für die ersten Monate, 13 für den Rest der Laufzeit.

Vieles spricht dafür, daß es nach diesem Muster auch diesmal zu einer Einigung kommen wird. Durchschnittlich wird in der Metall-und Elektroindustrie in diesem Jahr mit einem Produktivitätsfortschritt von 1,5 bis 2 Prozent gerechnet. An dieser Marge orientiert sich das 3,3%-Angebot. Die Arbeitgeber verweisen auf eine umstrittene Langzeitstudie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, in der davon die Rede ist, daß von jedem Prozentpunkt Lohnzuwachs über den Produktivitätsgewinn hinaus nur 0,3% in der Lohntüte bleiben. Der Rest werde von der durch den Lohnzuwachs erhöhten Inflation gefressen. Durch den 6,7%-Abschluß des letzten Jahres, so rechnen die Metall-Arbeitgeber vor, sei die Zahl der Beschäftigten um 75.000 in der Branche gesunken. In welchem Maße die Lohnerhöhung dazu tatsächlich beigetragen hat, ist indes ungewiß. Bei einer Inflationsrate von 4,8% im März, bei steigenden Abgaben und Steuern würde ein Lohnabschluß von 3,3% die Kaufkraft der Konsumenten spürbar verringern, was ebenfalls zu Jobverlusten führen müßte.

Bleibt es angesichts dieser Zahlen beim 3,3%-Angebot der Metallarbeitgeber, wäre der Streik so gut wie sicher. Teuer käme er beiden Seiten. Vor allem die Großen der Brache fürchten den Ausstand. Würden etwa die Zulieferbetriebe der westdeutschen Automobilindustrie bestreikt, stünden die Bänder bei den Autoproduzenten wegen der extrem anfälligen Just-in-time-Produktion schon nach drei Tagen still. Bis zur Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) im Jahr 1986 bot sich eine solche Streikstrategie für die IG Metall an. Die Fernwirkungen des Streiks belasteten nicht die Streikkasse, denn die nach der Sprachregelung der Gewerkschaft „kalt ausgesperrten“ Autobauer bezogen Kurzarbeitergeld vom Arbeitsamt. Mit der Neufassung des §116 AFG muß nun die streikende Gewerkschaft für die kalt ausgesperrten in der bestreikten Branche weitgehend selbst aufkommen. Walter Jakobs

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