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Titos Generäle müssen gehen

Von dem Wechsel an der Spitze der jugoslawischen Armee sind vor allem die Gegner der serbischen Freischärler betroffen/Serbisch-kroatische Geheimverhandlungen über die Aufteilung Bosniens  ■ Von Roland Hofwiler

Trotz der Ablösung der jugoslawischen Militärführung am vergangenen Freitag hat sich die Lage auf den Kriegsschauplätzen Bosniens nicht beruhigt. Im Gegenteil, in weiten Teilen der ehemals zentraljugoslawischen Republik nahmen die Kämpfe an Heftigkeit sogar noch zu, so in Sarajevo und Mostar.

Nimmt man den Wechsel in der jugoslawischen Militärspitze unter die Lupe, so fällt auf, daß sich unter den 39 in den Ruhestand versetzten Generälen und Kommandanten kein einziger befindet, dem eine Nähe zu serbischen Freischärlerführern nachgesagt wird. Stattdessen sind nun all diejenigen, die in den letzen Wochen immer wieder öffentlich die Auflösung der jugoslawischen Bundesarmee gefordert hatten und sich für einen Aufbau serbischer Streitkräfte „überall auf historischem serbischen Boden“ stark machten, nun die neuen Oberbefehlshaber.

Mit der nun vollzogenen Militärsäuberung hat die „jugoslawische Bundesarmee“ als letztes verbindendes Instrument des Vielvölkerstaates Jugoslawien aufgehört zu existieren. Nun sind auch noch die letzten Generäle aus titoistischer Zeit in den Ruhestand versetzt worden. Generäle, denen ihrer Gesinnung nach zwar ebenso wie den serbischen Freischärlern ein „Großserbien“ vorschwebte, die dieses aber in Form eines „neuen Jugoslawien“ errichten wollten. So machte zwar der abgelöste jugoslawische Verteidigungsminister und Generalstabschef Blagoje Adzic aus seinen „großserbischen Ideen“ nie ein Hehl, bekämpfte aber andererseits Freischärlerführer wie den Cetnik-Propagandisten Seselj oder den „Vukovar-Befreier“ Arkan. Zusammen mit den ebenfalls abgesetzten Generälen Raseta, dem einst die Kriegsführung in Kroatien zufiel, und Avramovic, Drahtzieher im Blitzkrieg gegen Slowenien, konnte er sich mit der faschistischen Cetnik-Ideologie aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges nicht anfreunden. Sie forderten sogar die Verhaftung von Seselj und Arkan.

Ausschlaggebend für ihre Zwangspensionierung dürfte jedoch gewesen sein, daß sie die selbstgestellten Kriegsziele sowohl in Slowenien, Kroatien und zuletzt in Bosnien auf militärischem Gebiet verfehlten. Innenpolitisch stellt sich die Frage, wie der Präsident Serbiens (und Neu- Jugoslawiens) Slobodan Milosevic, der vor fünf Jahren nur mit Hilfe der Generalität die damals kommunistische Macht an sich reißen konnte, sich nun seiner ehemaligen Freunde so leicht entledigen konnte.

Während sich so im Augenblick die militärpolitischen Kräfteverhältnisse in Serbien verschieben, gibt es für kroatische Zeitungen inzwischen keinen Zweifel mehr, daß Teile des achten kroatischen Korps seit Wochen in Bosnien aktiv an den Kämpfen teilnehmen. Dies soll selbst in einem vertraulichen Bericht von EG- Beobachtern festgestellt worden sein. Für weiteren Wirbel sorgt das Geheimtreffen zwischen den bosnischen Serben- und Kroatenführern Karadzic und Boban letzte Woche im österreichischen Graz. Nach offiziell nicht bestätigten Zeitungsberichten wollen sich Zagreb und Belgrad den größten Teil Bosniens untereinander aufteilen. 60 Prozent der Fläche ginge dabei an ein Großserbien, 30 Prozent an ein Großkroatien, den Muslimanen, die 43 Prozent der Einwohner stellen, bliebe lediglich ein Ministaat. Bezeichnend ist, daß diese Meldungen bisher weder Zagreb noch Belgrad als Zeitungsenten dementierten und im Gegenzug muslimische Verteidigungsverbände in Bosnien immer offener auf militärische Hilfe aus der Türkei und der arabischen Welt setzen.

KSZE-Ausschluß Jugoslawiens?

Helsinki (dpa) — Weiterhin offen blieb auch am Sonntag die Frage, ob die KSZE das von Serbien und Montenegro neugegründete Jugoslawien bis zum 30.Juni von allen Beratungen über den Krieg auf dem Balkan ausschließen wird. Einem entsprechenden Antrag hatten bis Samstag morgen 50 der 52 Mitgliedsländer der KSZE zugestimmt, außer Jugoslawien war er lediglich von Rußland abgelehnt worden. Der russische Delegierte hatte bei seiner Begründung der Ablehnung erklärt, daß der Ausschluß kein produktiver Schritt zur Beendigung des Krieges sei. Da für KSZE-Beschlüsse die Formel „Einstimmigkeit minus des betroffenen Landes“ gilt, haben mehrere Delegationschefs von Moskaus gefordert, den bisherigen Standpunkt zu überdenken, um so auch eine Gefährdung der gesamten vierten KSZE- Folgekonferenz zu verhindern. Als Hintergrund für den Widerstand Moskaus gegen den Ausschluß sehen Beobachter vor allem ähnliche Nationalitätenkonflikte in Rußland selbst. Nun soll der Ausschuß hoher Beamter der KSZE am Montag erneut zu Beratungen über die Suspendierung Jugoslawiens zusammentreten.

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