: Langer Atem beim „geilen Fight“
■ Unterwasserrugby findet immer mehr Anhänger: „Aggressionen rauslassen, ohne jemanden zu verletzen“/ Spucken ist erlaubt, kratzen und beißen verboten/ Strenge Fingernagelkontrolle
Duisburg (taz) — Sachte und sanft zerplatzen kleine Luftblasen an der friedlich daliegenden Wasseroberfläche des Schwimmstadions Duisburg-Süd. Plötzlich schießen zwölf Körper aalglatt aus dem Wasser, pumpen hastig Luft in sich hinein, um sogleich wieder unterzutauchen. Während oben kein Wässerchen getrübt wird, tobt vier Meter unter dem Wasserspiegel ein heißer Fight im Unterwasserrugby-Bundesliga- Match Freie Schwimmer Duisburg gegen die SU Dortmund-Derne.
Kein Zweifel, schon wieder erfreut sich eine Sportart, die unter den Wasserspiegel verlegt wurde, immer größerer Beliebtheit. Die Aktivenzahlen in den Vereinen wachsen immens. Die Erklärung für dieses Phänomen präsentiert sich scheint's wasserdicht, „ist dieser Sport doch wie eine Sucht“, schildert Thomas „Magnum“ Jürges seine Abhängigkeit. Eine ungewöhnliche Sucht, bei der es oberstes Ziel ist, das handballförmige Objekt in einem Stahlkorb am Beckenboden unterzubringen. Hierbei kann der fünf Kilogramm schwere Ball, der naturgemäß sofort gen Grund sinkt, folglich nur gestoßen werden. Zwölf bis achtzehn Meter darf der Pool lang sein, genug, um die Lungen der Sportlerinnen bis aufs äußerste zu fordern.
Die Regeln sind ähnlich simpel wie beim Überwasser-Rugby: Nur die ballführende Spielerin darf angegriffen werden, Körperkontakte und Spucken läßt das wässrige Regelwerk zwar zu, doch sind Kopf, Tauchermaske, Fingernägeleinsatz und diverse Würgaktionen tabu. Bei Zuwiderhandlung drohen Zwei-Minuten- oder Matchstrafen zur Atempause. Wird eine Spielerin am klaren Torwurf gehindert, erhält das benachteiligte Team einen Strafwurf, der zum spannendsten Atemduell avanciert.
45 Sekunden hat ein Akteur jetzt alleine Zeit, die mit Salzwasser gefüllte Kugel am Keeper vorbei in den Korb zu bringen. Hierbei darf sich der Torwart mit seiner ganzen Breite auf dem Korb entfalten (nicht festhalten), muß aber gegen die ihn nach oben drückende Schwerkraft und den Mangel am Lebenselixier Luft kämpfen. Damit alles regelgerecht taucht, sind immer zwei Schiris mit Sauerstofflaschen dabei.
Überdies trägt Unterwasserrugby wesentlich zur Körperhygiene bei. Schmutzige Fingernägel gibt es nicht, da diese auf eine Überlänge der Hornplatte hinweisen, die im Wasser als gefährliche Kratzwaffe eingestuft und verboten ist. Vor jedem Match heißt es, dem Schiedsgericht die Fingernägel vorzuzeigen, welches bei Bedarf ganz fix mit der Schere zur Hand ist. Als Geheimtip gilt hingegen, die Tauchermaske mit Shampoo einzuschmieren, um ein Beschlagen zu vermeiden.
An Wasserverlust leiden die sechs Aktiven pro Mannschaft (und Auswechselspieler bei fliegendem Wechsel) jedenfalls nicht, schluckt doch jeder Akteur rund einen Liter pro Spiel. Das macht aber nix, denn „bei so einem geilen Fight schluckt man schon mal wat“, steckt „Magnum“ Jürges die Wassermassen unter dem zustimmenden Prusten seiner Mitspieler Frank „Frosch“ Meyer und Andreas „Harvey“ Mendrian locker weg und verweist auf seinen Mit- und Nationalmannschaftsspieler Jörg Oertel, der „eine ganz erstaunliche Lunge hat“. In Spitzenzeiten schafft es Oertel, bis zu 45 Sekunden am Stück unter Wasser um Ball und Tore zu kämpfen.
Unterwasserrugby ist eine der wenigen Sportarten, bei der Frauen und Männer in einem Team spielen. Lediglich in der Nationalmannschaft wird zwischen Männlein und Weiblein unterschieden.
Direkt nach dem Ultraschallanpfiff wird mit Schwimmflossen, Tauchmaske und Schnorchel um jeden Ball gekämpft. Am Beckengrund entstehen sodann Menschenknäuel, den Ball unter sich begrabend. Auch Spielzüge und andere technische Feinheiten kommen vor, je nach Raffinesse, Tauchfreiheit und Atemausdauer. Nach zweimal fünfzehn Minuten Spielzeit sind die Spielerinnen ziemlich groggy, fühlen sich aber, wie sie beteuern, pudelwohl: „Nur beim Unterwasserrugby kann man so richtig seine Aggressionen ablassen, ohne jemanden zu verletzen.“ Fest steht: Wasser dämpft zweifelsfrei. Roland Leroi
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