piwik no script img

Ring-Gegner wollen heute das Rathaus stürmen

■ »Bündnis Innenstadtring« will SPD-Fraktion »besuchen«, um eindeutige Wahlaussage zu bekommen: Vervollständigung des City-Rings ja oder nein?/ Fahrradkorso und Menschenkette vom Sonntag waren nur der »Startschuß« für weitere Aktionen

Berlin. Etwa 50 Vertreter des »Bündnis Innenstadtring« wollen heute um 12 Uhr das Schöneberger Rathaus stürmen. In einer Presseerklärung kündigt das aus über 50 Initiativen und Verbänden bestehende Bündnis einen »Besuch« bei der SPD- Fraktion an. Nachdem am letzten Wochenende 20.000 Menschen gegen die Vervollständigung des Innenstadtrings mit Straßenfesten, Fahrraddemos und einer kilometerlangen Menschenkette protestiert hatten, soll die Koalitionsfraktion »das Thema der Straße« auch im Rathaus auf die Tagesordnung setzen, heißt es in der Erklärung.

Das Bündnis will die »Verwirrung« innerhalb der SPD auflösen: Mehrere Bezirksbürgermeister- Kandidaten und viele Bezirksverordnete der Partei seien »reihenweise umgekippt« und inzwischen dagegen, daß die Oberbaumbrücke für den Autoverkehr geöffnet, eine neue Verbindungsstraße zwischen Bernauer- und Invalidenstraße gebaut und ein Millionen teurer Autotunnel unter dem Tiergarten gebuddelt wird. Die Verkehrspolitik werde aber nicht in den Bezirken, sondern von den Abgeordneten im Rathaus entschieden, betonen die Initiativen. Deshalb sollen sich nun insbesondere die Mitglieder des Verkehrs-, Umwelt- und Stadtentwicklungsausschusses auf ihrem regelmäßigen Treffen am Montag zur geplanten Ring-Schließung äußern: ja oder nein? Sobald die SPD-Abgeordneten morgen zusagen, sich am Montag mit dem Innenstadtring zu beschäftigen und anschließend das Ergebnis ihrer Beratung bekanntzugeben, wollen die »Besucher« das Abgeordnetenhaus wieder verlassen.

Die Schöneberger Aktion soll nicht die letzte sein. Die Demonstrationen vom Wochenende seien nur der »Startschuß« gewesen, sagte ein Mitglied der BI-Westtangente bei einem Nachbereitungstreffen des »Bündnis Innenstadtring« am vergangenen Mittwoch. Daß 20.000 Leute gegen den Ring protestierten, »hat uns einen Riesenschub gegeben«, berichtet Pastor Manfred Fischer von der evangelischen Versöhnungsgemeinde (Wedding/Mitte). Viele hätten wegziehen wollen. Nach dem größten Verkehrsprotest in Berlins Geschichte hätten sie aber Hoffnung geschöpft, den Ring verhindern zu können, und wollen nun wohnen bleiben. Gabi Dormig vom Verein »Entwederoder« hatte wie die meisten anderen Veranstalter nicht daran geglaubt, daß die Menschenkette zustande kommen würde. Als sich gegen 18 Uhr die verschiedensten Leute aber auch Ecke Oderberger/Eberswalder Straße an die Hände genommen hätten, habe sie sich »nur noch einen Hubschrauber gewünscht«.

Die Polizei machte auf die Veranstalter einen unkoordinierten Eindruck. An der Warschauer Straße seien bereits um 12 Uhr Schilder einer Baustelle zur Umleitung des Verkehrs zweckentfremdet worden. »Bis 14 Uhr wollte kein Polizist davon wissen«, erinnert Michael Sahn von »Frolik«. Dann seien drei Polizisten gekommen, die immer wieder in der Funkzentrale nachfragen mußten, was eigentlich genehmigt sei. Die Ordnungskräfte hätten bei allen elf Straßenfesten anfangs darauf gedrängt, daß die Aktionen den Autoverkehr nicht behindern. Mit den Fahrraddemonstrationen ab 15 Uhr sei der Ring aber Stück für »erobert« worden, so ein Vertreter einer Bürgerinitiative. »Das muß man sich merken, daß so eine fließende Demo fast nicht zu kontrollieren ist«, sagte Thomas Liebing vom Verein irrer engagierter Stadtbewohner (FIES).

Kritik gab es an dem Verhalten der Polizei. Durch mangelnde Präsenz sei es immer wieder zu Konflikten mit Autofahrern gekommen, die den Fahrradkorso kreuzen wollten. In der Bernauer/Ackerstraße habe ein Automobilist zwei Radler angefahren und sei dann geflüchtet, berichtet Pastor Fischer. Ein anderer Blechfetischist habe mit einer Pistole mehrmals in die Luft geschossen. Beide Fahrer seien angezeigt worden. Zu diesen und anderen Zwischenfällen wäre es nicht gekommen, wenn die Polizei die Fahrraddemonstrationen ihrem Auftrag entsprechend geschützt hätte. Das »Bündnis Innenstadtring« will deshalb Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen. Dirk Wildt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen