: Bremer Kampf um Kurdistan
■ Polizei ließ gewalttätige Konfrontation zu / Viele Verletzte, 70 vorübergehende Festnahmen
Mehrere zum Teil schwer verletzte Demonstranten, acht leicht verletzte Polizisten und 70 vorübergehende Festnahmen — das ist die Bilanz des Zusammentreffens zweier türkischer Demonstrationen am Samstagmittag im Bremer Steintor. Die Polizei hatte trotz der zu erwartenden Gewalttätigkeiten (vgl. taz vom 16.5.) versucht, einen nationalistisch gesinnten Zug von rund 700 Türkeifähnchen schwenkenden Demonstranten direkt an der Gegendemonstration vorbeizuleiten, zu der einige linksradikale türkische und deutsche Gruppen aufgerufen hatten (vgl. auch Seite 6).
Zuvor hatte die Polizei Demonstration und Gegendemonstration zwei Stunden lang aufeinander warten lassen. Während den rund 200 Gegendemonstranten an der Sielwallkreuzung der Weg abgeschnitten wurde, stauten sich die nationalistischen Demonstranten, darunter auch ganze Familien, vor einer Polizeikette am anderen Ende des Steintors. Gegen zwei Uhr kam es dann zu der kurzen, aber sehr heftigen Konfrontation, bei der sich beide Seiten mit Flaschen, Steinen und Fahnenstangen bewarfen. Und mittendrin versuchte die Polizei, den Weg mit hartem Knüppeleinsatz freizuprügeln.
Demonstration und Gegendemonstration waren offensichtlich auf den direkten Schlagabtausch aus. „Wir wollen durch“, wurde immer wieder in Sprechchören gerufen, als die Polizei versuchte, den nationalistischen Demonstrationszug um das Steintor herum über den Osterdeich zur vorgesehenen Kundgebung auf dem Marktplatz zu leiten. Während die Organisatoren der Demonstration, der türkische Honorarkonsul Karl H. Grabbe und der Vorsitzende der Deutsch-Türki
Kurze, aber heftige Auseinandersetzungen: Die Polizei nahm über 70 Demosntrationsteilnehmer festFoto: Falk Heller
schen Gesellschaft, Peter Würtz, damit einverstanden gewesen wären, verlangten viele Teilnehmer — vor allem die in erster Linie marschierenden Anhänger der „Grauen Wölfe“ — die Einhaltung der ursprünglich geplanten Route mitten durch das Steintor. Schließlich gab die Polizei den Weg dann doch frei, um „zu verhindern, daß sich größere Teile des Aufzuges verselbständigen“.
„Ich habe 22 Jahre in Deutschland gearbeitet und ordentlich meine Steuern gezahlt“, begrün
hier bitte das Demo-Foto,
auf dem ds Fahrrad geworfen wird
dete einer der Demonstranten, warum er dem Aufruf „für die deutsch-türkische Freundschaft“ gefolgt war, „und jetzt kommen die kurdischen Asylanten, kassieren einfach Sozialhilfe und handeln mit Drogen“. Sprechchöre wie „Weg mit dem Terror“ und „Für die Einheit der Türkei“ richteten sich gegen die Unabhängigkeitsbewegung im türkischen Teil Kurdistans. Repression oder gar Menschenrechtsverletzungen gebe es in diesem Gebiet nicht, versicherten die Demonstranten.
„Und lassen Sie sich von niemandem einreden, daß die Türkei keine Demokratie wäre“, ergänzte der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Würtz auf der Abschlußkundgebung auf dem Bremer Marktplatz.
Mit Sprechchören wie „Tod dem Faschismus in der Türkei“ und Tänzen zu türkisch-revolutionärem Gesang aus dem Lautsprecher hatte die Gegendemonstration die Wartezeit bis zur direkten Konfrontation überbrückt. Sie sahen in der nationalistischen
Demonstration den Versuch, „das kurdische und das türkische Volk jetzt auch noch in Bremen zu spalten“.
„Wir haben das Steintor für uns zurückgewonnen“, freute sich einer der nationalistischen Demonstranten nach der Abschlußkundgebung: „Das war heute ein großer Erfolg und erst der Anfang. In der nächsten Woche soll es weitergehen, und dann werden wir noch mehr.“
Dirk Asendorpf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen