Betr.: Matthias Leupold

Abgehauen in den Westen, bekam Matthias Leupold Post von Freunden in Ost-Berlin: ein Katalögchen der „III. Deutschen Kunstausstellung“ 1953 in Dresden, einer Vorzeigeausstellung einer angeblich nicht formalistischen Malerei im Ulbricht-Staat — das ganze Grauen des Sozialistischen Realismus in verwaschenem Schwarzweiß. Nicht nur die Völker sahen die Signale, auch der Fotograf Leupold studierte die Meisterwerke der kompromißbereiten Maler, die akademisch gedrillte Vormoderne vorgeblich proletarischen Bewußtseins.

Mit Freund(inn)en — auch solchen, die nach ihm in den Westen kamen — hat Leupold die Genreszenen proletarischen Lebens nachgestellt. Man kann deutlich erkennen, wie gut die Posierenden die stereotypen Gesten kannten; aber Leupold hat sich in seiner Inszenierung gezielt nicht an die formale Pedanterie der Vorlagen gehalten. Im Remake von Willy Colbergs „Streikposten in Hamburg (Öl auf Leinwand)“ zum Beispiel stehen die Kampfbereiten in Leupolds Interpretation vor einem nicht ganz so imposanten Werkstor — ja, eher vor einem Zaun. Der Blick zum Himmel ist offen und mäßigt somit den Heroismus der Taten, die da ausbleiben werden. Allein die Penetranz der fotografischen Abbildung reicht, um das Pathos der Vorlagen lächerlich zu machen, nicht pauschal, sondern mit analytischem Blick für die Schwächen der in den Vorlagen ausgesparten Details.

Dies und andere ironisch-proletarische Bilder — und manche Motive, die Leupold dazuerfunden hat — sind unter dem Titel „Fahnenappell“ jetzt im Bauhaus Dessau zu sehen; eine Auswahl davon ab 3.Juni in der Ausstellung „Jahreslabor. Ein Bericht“ im Martin- Gropius-Bau in Berlin.taz

Matthias Leupold: „Fahnenappell“. Bauhaus Dessau, bis zum 24.Mai. Katalog im Jonas Verlag, Marburg.