: Böckspringen in Erfurt
■ Der CDU-Innenminister Willibald Böck wehrt sich mit einer Strafanzeige gegen den Vorwurf, von einer Raststätten-Baufirma bestochen worden zu sein/ Angeblich nichts über Zweck geahnt
Erfurt (dpa/ap/taz) — Der thüringische Innenminister Willibald Böck sieht keine Veranlassung, zurückzutreten. Seit dem Wochenende sieht sich „die Altlast“, wie sich der ehemalige Blockflötist gelegentlich selbst bezeichnet, mit dem Vorwurf konfrontiert, bestechlich zu sein.
Wie der 'Spiegel‘ berichtete, liegt eine eidesstattliche Erklärung des mittlerweile vom Dienst suspendierten evangelischen Pfarrers Hans- Werner Kohlmann (55) vor, er habe Böck im Herbst 1990 bei zwei Treffen insgesamt 45.000 Mark ausgehändigt. Bei der Geldübergabe sei klar gewesen, daß er, Kohlmann, die Interessen der Alsfelder Unternehmensgruppe Sebastian Stutz vertreten habe, deren „Autobahn-Service- Gesellschaft mbH“ sich damals um den Auftrag für Bau und Betrieb von Autobahnraststätten in Thüringen beworben hatte.
Zwar habe er dem Innenminister, so Kohlmann Montag abend, nicht ausdrücklich gesagt, daß das Geld „für die Gewährung von Vorteilen im Zusammenhang mit dem Raststättenbau gewährt“ worden sei. Allerdings sei bei mehreren Gesprächen mit dem Innenminister und CDU-Landesvorsitzenden Böck vor und nach der Geldübergabe fast ausschließlich über den Bau von Raststätten gesprochen worden.
Böck selbst hat gestern in Erfurt angekündigt, juristisch gegen Kohlmann vorgehen zu wollen. Sein Anwalt werde Strafanzeige wegen Verleumdung, falscher Verdächtigung und gegebenenfalls auch wegen Meineids gegen den Pfarrer stellen.
Der Innenminister hatte den Erhalt von 20.000 Mark am 1. November 1990 handschriftlich quittiert. Über den Rest will er nichts wissen. Wie sich gestern herausgestellt hat, sind diese 20.000 Mark nicht versteuert worden, so daß dem CDU- Politiker inzwischen nicht nur ein Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit droht, sondern auch noch eines wegen Steuerhinterziehung. Zuvor muß allerdings seine Abgeordneten-Immunität aufgehoben werden. Über einen entsprechenden Antrag der Erfurter Staatsanwaltschaft war bis gestern nachmittag nicht entschieden worden.
In einem Rundfunkinterview äußerte der thüringische Innenminister am Dienstag, er müßte „doch einen Riß im Gehirn haben“, wenn er jetzt zurücktreten würde. Für das Geld seien keinerlei Gegenleistungen erwartet worden. Solche Spenden seien damals, als sich die Grenzen öffneten, üblich gewesen. „Einfach aus Freude darüber, daß man wieder beisammen war.“
Die CDU-Fraktion in Thüringen stellte sich gestern hinter Böck. Der Minister habe den Verdacht der Bestechlichkeit sowie der Vorteilsannahme im Gespräch mit der Fraktion widerlegt. Der Sachverhalt müsse jedoch im Interesse des Landes und der Regierungsarbeit schnellstmöglich geklärt werden.
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