: Jäger über Scipio-Frage: „Senat war unter Druck“
■ Offene Koalitions-Debatte um Hafenpolitik
„Der eine oder andere Kollege im Senat war unter Druck in einer besonders schwierigen Lage“, dafür habe er „Verständnis“, erklärte Wirtschaftssenator Jäger gestern in der Debatte um die Hafenpolitik und die Umsiedlung des Fruchtumschlages. Häfensenator Beckmeyer, gegen den sich Jäger Ende April zusammen mit dem grünen Stadtentwicklungs- Senator Fücks und einigen SPD- Senatoren durchgesetzt hatte, saß auf der Senatsbank und machte eine unbewegliche Miene.
In der von der CDU angezettelten Debatte um die Hafenpolitik kamen die unterschiedlichen Gesichtspunkte deutlich zum Vorschein. Während Beckmeyer davon ausging, daß das Treuhand- Gutachten mit seiner Tendenz, der Fruchtumschlag solle im Europa-Hafen bleiben, klar sei und dieser Hafen zu einem „Nahrungs- und Genußmittelzentrum“ werden könnte, hatte FDP-Wirtschaftssprecher Braun erhebliche Zweifel an dem Gutachten und der Zukunft dieses alten Hafenreviers. Seit 1970 habe sich die Zahl der Beschäftigten in den alten Hafenrevieren halbiert, im Europa- Hafen seien nur noch 300 Beschäftigt, zählte Braun vor. Deshalb müsse man über eine „Optimierung der Gewerbestruktur“ reden.
Die Grüne Hackstein will den Europahafen in eine moderne Stadtentwicklung einbeziehen, wie sie in Frankfurt oder Hamburg längst betrieben wird. Es sei nur „kurzfristig billig“, den Fruchtumschlag dort zu belassen.
Die Lagerhausgesellschaft sei in den drei vergangenen Jahren immer wieder mit neuen Zahlen angerückt, beschwerte sich der SPD-Politiker Weichelt. „Das mache ich nicht länger mit.“ Die Deputation, berichtete er, habe „seit eh und je den Europahafen favorisiert“ für den Fruchtumschlag. Auch der Parteitag der SPD im Bremer Westen habe sich dafür entschieden.
Wenn im Juni 1991 nach den Wünschen der BLG der Fruchtumschlag in den Neustädter Hafen verlegt worden wäre, meinte schließlich Jäger, wäre das „falsch gewesen“. Der Scipio-Chef Wessels favorisiere eine Verlagerung nach Bremerhaven, erinnerte er, alles andere wäre ein „Provisorium“.
CDU-Chef Kudella, der anstelle des Hafenexperten der CDU die Debatte bestritt, konnte an der recht offen ausgetragenen Debatte der Koalitionspartner nichts Positives finden. Bremen sei „kein verläßlicher Partner“ klagte er, der Bürgermeister habe dem Scipio-Chef Zusagen gemacht, die der Senat nicht einhalte. K.W.
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