: Verlegener Verleger
■ Egon Ammann im Gespräch mit dem Rundfunkredaktuer Martin Lüdke
Egon Ammann verlegt in Zürich Ossip Mandelstam und Pessoa. Daß es diese Bücher gibt, ist fein (zwei potentielle Gesamtausgaben, knallhart in Bindung und Kalkulation, gute Übersetzerarbeit durch Ralph Dutli und Georg R. Lind, ein gemeinnütziger Anmerkungsapparat). Auch wenn Billigbücher für die Tasche (wie Wagenbachs Pessoa-Bändchen) natürlich viel schöner sind, mag man Ammanns Arbeit schätzen. Also lud das Literarische Colloquium e.V. den Verleger zur Rundfunk-Aufnahme an den Wannsee: »Ach, zum Teufel die Bilanzen — Egon Ammann im Gespräch mit Martin Lüdke«.
Ein paar verstaubte Vereinsmitglieder fanden sich auch ein, Claqueure, die paarweise durch den lauen Sommerabend von der Wannseevilla zur Drecksbrühe am Ufer wandeln, dem metonymischen Reigen besonnter Segel nachträumen. »Kleist« murmeln, und »Rainald Goetz«. In Arkadien über dem Wipfel der hochgezüchteten Eiche, wo Pfeifenrauch und Seidentapete sich geschmackvoll in evangelischem Gestühl spiegeln, geht man auf Sendung. »Was war die größte Pleite in ihrem Leben?« runzelt Lüdke das Nasenbein zur intimen Frage, ein smarter Khakiträger aus verblichener »Meilenweit«-Werbung, mit den Gedanken schon wieder in seiner Redaktion im Südwesten — »Sind Sie eitel?«
»Schauen Sie mich doch an!« antwortet das Opfer mit dem strahlenden Charme eines Handelsvertreters, weil es vergessen hat, daß es für den Hörfunk spricht. Um die Frage laviert Ammann sich ungeschickt herum, renitent gegen alle Bemühungen Lüdkes, ein kreuzsympatisches Schlitzohr zu präsentieren. Der wäre viel lieber ein liebender Mensch — »Ich bin ein liebender Mensch« — vorwärtsgetrieben von seiner Liebe zu den Büchern und manchmal auch zu den Frauen: Als sein Jungstar Thorsten Becker zu Kiepenheuer & Witsch abwanderte, da wars ihm, als wär ihm die Frau fortgelaufen — als Sohn aber schloß er den Gescheiterten später wieder in seine Arme.
Wo das Geld herkommt, weiß man nicht — muß man ja auch nicht verraten — »Mein Leben besteht zum größten Teil aus Wundern«. Und deshalb kann der Ammann-Verlag also ganz unprogrammatisch sich treiben lassen und seine Liebhaberliteratur machen, große Literatur natürlich, nur leider ziemlich unverkäuflich. Das versteht der Verleger wiederum gar nicht, wo doch sein neuestes Angebot — Frans Pointl, Das Huhn, das über die Suppe flog — so ein »wunderbares Angebot ist ... für Versöhnung« (was Lüdke mit seiner Entdeckung von »hum-morvollen Zügen bei allem Schm-merz« nur unterstreichen kann).
Vielleicht — wenn der Mann sich von uns helfen lassen will — vielleicht könnte Herr Ammann Liebe und Versöhnung einfach mal beiseite lassen. Seinem Verlagsprospekt käme dies zweifellos zugute, der schwillt und schwappt im Schwulst einer aufs Verlegen verlegten Dichterseele — vom »spielerischen Ernst« zum »ernsten Spiel«, vom Zuhause in der Fremde zur Nähe in der Distanz, wo keine Frage ohne Antwort bleibt und keine Härte ohne Sinnlichkeit. Fritz v. Klinggräff
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