: Einbrecher ohne Furcht
■ Vier Beispiele für versuchte und gelungene Einbrüche und eine Möglichkeit, sich davor zu schützen
Morgenstund hat Gold im Mund« dachten sich wohl die Einbrecher, als sie vor einem halben Jahr die Wohnung der Rentnerin Luise F. in der Gneisenaustraße aufbrachen: Um sieben Uhr früh. In genau zehn Minuten hatten sie ihr Tageswerk erfolgreich vollbracht. So lange dauerte es nämlich, bis Luise F. vom Kiosk zurückgekehrt war, an dem sie sich — wie seit Jahren — ihre Zeitung gekauft hatte.
Beispiel Nr. 2: Der Jüngling
Nirev S. stand unter der Dusche, als er zum ersten Mal das dumpfe Geräusch hörte. »Es wird der Postbote sein, der die Briefe durch den Schlitz geworfen hat«, dachte er. Als ein paar Minuten später das Geräusch wiederkehrte, wurde er mißtrauisch. So viel Post? Als er aus dem Bad in den Flur trat, vernahm er plötzlich Schritte. Vor seiner Haustür hing eine Wolke aus Zigarettenqualm. Zu sehen war niemand. Kaum war er wieder in der Wohnung, raste jemand die Treppen hinunter. Erst in diesem Augenblick fiel dem 28jährigen Nirev S. ein, seine Tür einmal eingehender zu betrachten: Der Knauf war abmontiert und der Zylinder des Schlosses fachmännisch aufgebrochen worden. Nirev S. hatte noch einmal Glück gehabt. »Eine Minute später, und der Mann wäre drinnen gewesen«, sagte der Angestellte vom Schlüsseldienst. Ein paar Wochen später entdeckte seine Freundin, der die Wohnung gehört, den Knauf. Er lag in einem Korb vor der Dachkammer. Damit war klar, wie kaltschnäuzig der Profi vorgegangen war: Als er merkte, daß jemand in der Wohnung war, flüchtete er vom vierten ins letzte Stockwerk und wartete ab, bevor er endgültig aus dem Haus verschwand.
Beispiel Nr. 3: Der Politiker
Einbrecher sind nicht wählerisch. Parteicouleur spielt bei ihnen keine Rolle. Das mußte vor kurzem Wolfgang Wieland wieder einmal festellen, seines Zeichens stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Grüne im Abgeordnetenhaus. Zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren wurde in seine Wohnung eingebrochen. Wieland und seine Frau waren außer Haus, als der Einbrecher zum ersten Mal an eines der Fenster im Erdgeschoß der Kreuzberger Altbauwohnung klopfte. Was er jedoch nicht ahnen konnte: Die beiden Töchter der Wielands, 12 und 18 Jahre alt, waren in ihren Zimmern und hörten Radio. Zwar nahm die ältere Tocher das Geräusch wahr, »aber sie dachte sich nichts dabei«, erzählt Sabine Wieland. Kurze Zeit später klirrte die Scheibe. Tatzeit: halb sechs Uhr am Nachmittag. Doch die Freude des Einbrechers währte nur kurz: Verängstigt und laut schreiend verließen die beiden Töchter die Wohnung, alarmierten die Nachbarn und vertrieben so den Einbrecher. Wielands zogen die Konsequenzen und setzten eine Sicherheitsverglasung ein.
Beispiel Nr. 4: Die Studentin
Auch die schönste Gegensprechanlage schützt nicht vor Einbrechern. Ob ein Peter da wäre, hatte die unbekannte Stimme gefragt. Bei Dorothea F. hatte er mit seiner Masche keinen Erfolg. Bei einem anderen Hausbewohner in der Potsdamer Straße offenbar mehr, denn plötzlich stand er im Hausflur, um elf Uhr nachts. »Das war ein schmieriger Typ, der ganz merkwürdig ins Treppenhaus geschlichen kam«, erinnert sie sich. Nachdem sie ihn nochmals klar gemacht hatte, daß kein »Peter« im Haus wohne, machte er kehrt. Was ihn nicht daran hinderte, an der Haustür herumzubasteln. Von ihrem Fenster aus sah Dorothea F. seinen Schatten auf dem Gehweg. »Nachdem er gegangen war — vorher hat er sich noch ganz befriedigt eine Zigarrette angezündet — bin ich nach unten und habe nachgesehen«. Zwischen Türrahmen und Schloß steckte ein Stück Pappe — für den nächsten Versuch.
Beispiel Nr. 5: Die 68erin
Anna T. hatte 1980 ihr Schlüsselerlebnis: Der Erbschmuck ihrer weißrussischen Großmutter wurde aus ihrer Wohnung gestohlen. Als die Kripo kam und in der WG der Alt- 68erin die Bände von Karl Marx und Friedrich Engels im Bücherregal sah, fragten die Beamten: »Haben Sie schon mal in Ihrem Bekanntenkreis herumgefragt?«. Den Schmuck sah Anna T. nie wieder. Daraufhin entschloß sie sich zu einer originellen Lösung, die sie jedem weiterempfiehlt: »Den Schlüssel von außen stecken lassen«. Anfangs murrte zwar ihre WG, doch inzwischen zieht sie mit. Nicht ganz, allerdings. Denn die teuren Haus-Computer werden gesondert in einem Panzerschrank verschlossen. Severin Weiland
Bis auf den Abgeordneten Wieland sind die Namen aller anderen Betroffenen geändert worden.
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