: "Schönhuber - ein Demokrat wie viele?"
■ betr.: "Eine Fußnote der Geschichte" (Hendryk M. Broder im Gespräch mit "Republikaner"-Chef Franz Schönhuber), taz vom 19.5.92
betr.: „Eine Fußnote der Geschichte“ (Hendryk M.Broder im Gespräch mit „Republikaner“- Chef Franz Schönhuber),
taz vom 19.5.92
Schönhuber — ein Demokrat wie viele? Das kann nur daran liegen, daß es mit diesen Demokraten nicht weit her ist; zum Beispiel wenn es um ein elementares Menschenrecht geht. Da zieht sich der Rassismus quer durch alle politischen Gruppierungen, die bei Ausländerhatz wie in Hoyerswerda sofort gegen Ausländer und Asylrecht hetzen.
Wer sich da als Retter vor einem neuen Nazismus gebärdet, ist ausgerechnet derjenige, der ihm am erfolgreichsten huldigt. Bedient er sich doch dessen Ideologie und schart jede Menge alter und neuer Nazis um sich. Die Ablehnung des Holocaust, Entsetzen über rassistische Ausschreitungen, Selbstkritisches über seine Reden und sein vermeintlich sozialer Touch — das macht sich in der taz gut — hat aber in Schönhubers Reden und in seiner Partei keinen Platz. Schönhuber spricht für jene Generation, die nicht den Holocaust, sondern den verlorenen Krieg betrauert.
Bezeichnend ist sein Vergleich zwischen Faschismus und Nationalismus. Indem er sich als Idealist gibt, die unmittelbaren Folgen des Nationalsozialismus ablehnt, bringt er es fertig, die Opfer des Mussolini- Staates zu leugnen („ein paar Mafiosi auf eine Insel verbannt“) und dessen Arbeitsdienste zu preisen, womit wiederum die Nazi-Ideologie seiner Wähler bedient wird.
Das Interview läßt einiges an Schärfe vermissen [...]. Albert H.Knapp,
Frankfurt am Main
Mir ist klar, daß es in unserer Gesellschaft einen beachtlichen Teil von Menschen gibt, die rechtes Gedankengut in sich tragen. Deutlich wird dies immer bei Wahlen, wenn entsprechende Parteien hohe Gewinne davontragen und in die Parlamente kommen. Und die, die DVU, REPs und andere wählen, sind sicher nur die Spitze des Eisberges. Ich glaube, dieses Gedankengut wie Ausländerfeindlichkeit, der Wunsch nach einem starken Mann und so weiter ist bei Mitgliedern aller Parteien, Gewerkschaften und anderen Organisationen vorhanden. So gesehen ist die platte Formel „Nazis raus“ meines Erachtens nicht richtig.
Ich würde es auch in Ordnung finden, wenn Interviews mit denen gemacht werden, die rechtsextreme Parteien wählen. Doch ich habe ein Problem, wenn man Leuten wie Schönhuber eine Plattform bietet, sein Gedankengut zu verbreiten.
Beim Lesen des Interviews ergibt sich ein Bild von einem Mann, der zwar rechts ist, aber beileibe kein Nazi. Konservativ, aber kein Ausländerfeind, der selbst mal links war und jetzt noch bereit ist, andere Linke zu achten, kurz und gut — ein netter Mann, der eigentlich ganz in Ordnung ist.
Ich finde es gefährlich, mit solchen Artikeln verharmlost Ihr die Situation. Damit werden Gruppen wie die „Republikaner“ bei Leuten salonfähig gemacht, die bisher zumindest noch nicht bereit waren, sie zu wählen. [...] Detlef Decho, Bremen
Ist das Eure neue publizistische Orientierung, um neue LeserInnen für die taz zu gewinnen? Ein sehr guter, informativer Bericht über das Treffen der jüdischen WiderstandskämpferInnen aus der „Herbert-Baum- Gruppe und ein Gespräch (kein Interview) mit dem Vorsitzenden der „Republikaner“ in ein und derselben Ausgabe?
Die jüdischen WiderstandskämpferInnen empörten sich über Schönhubers bevorstehenden Auftritt in der Kongreßhalle am Alexanderplatz. Inzwischen können sie sich über die taz empören, weil sie Schönhuber ein Forum einräumt, um sich und seinen Parteifreunden ein neues Images zu geben. Da darf Schönhuber den italienischen Faschismus verharmlosen, und Ihr druckt dies kommentarlos ab. Um mit den Worten von Walter Sack, dem Organisator des Treffens der jüdischen WiderstandskämpferInnen zu sprechen, „Die Faschisten sterben nie aus“ und ZeitungsmacherInnen, die ihnen ein publizistisches Forum geben, leider auch nicht. Harald Hahn, Bielefeld
Bravo Broder, mit welch ätzender Schärfe Sie Nazi-Schönhuber attackieren, wie Sie ihm mit bohrenden Fragen und bissigen Kommentaren die Maske des Saubermannes heruntergerissen und dahinter die Fratze des Altfaschisten der Öffentlichkeit präsentiert haben, das nötigt schon großen Respekt ab. Eine journalistische Meisterleistung, eine Sternstunde der taz. Ihren diesmal so kritischen Geist vermisse ich bei Ihren sonstigen Wortmeldungen (Golfkrieg, Stasi, Antisemiten-Enttarnungen). [...]
Gehört es jetzt zur Meinungsvielfalt der taz, Faschisten zu Wort kommen zu lassen? Sind die „Republikaner“ nun auch hier hoffähig geworden? In einigen Parlamenten sitzen sie schon, höchste Zeit für die alternative Tageszeitung, mit ihnen Frieden zu schließen? [...]
Noch einmal, damit Ihr es begreift: Werbung für Faschisten aller Couleur in einer Zeit, wo der braune Mob immer stärker wird, wo Morde, Brandanschläge, körperliche Angriffe auf Asylbewerber und andere ausländische Bürger, begleitet vom Wegsehen bis Beifall des „normalen“ Deutschen (vom „kleinen“ alltäglichen Rassismus ganz zu schweigen), auf der Tagesordnung stehen, ist beinahe kriminell! Daß Broder bei seiner Plauderstunde Marx mit seinem Waffen-SS-Gesprächspartner und Hitler in wohlmeinenden Zusammenhang brachte, ist nur noch der traurige Höhepunkt dieser bisher einzigartigen (einmaligen?) taz-Entgleisung. [...] Aimo Rieß, Berlin
Das Interview zeigt eindrücklich, was die „Republikaner“ so gefährlich macht: Eben nicht, daß sie „Deutschland, Deutschland“ schreien, Reichsfahnen hissen und SS-Abzeichen tragen, sondern daß sie — hier vertreten durch Schönhuber — alert davon Abstand zu nehmen scheinen, was gewesen ist, die bestehenden Verhältnisse aber dennoch kritisieren und somit Progressivität indizieren. Die „Republikaner“ sammeln so drei WählerInnenpotentiale zusammen:
—Die Frustrierten, die mit den bestehenden Verhältnissen nicht zufrieden sind (kein Wunder), für die keine der anderen Parteien ein ähnlich gutes Sprachrohr für ihre Proteststimme zu sein scheint, wie die REPs es sind. Sie sind die „ProtestwählerInnen“, die von bürgerlich- blinden wie zum Beispiel der 'Zeit‘ als einzige relevante WählerInnenschicht ausgemacht wird, aber meistens eher unpolitisch.
—Die Rechten, Ewiggestrigen, die FaschistInnen, die NationalsozialistInnen; sie wollen eine deutsche, nationalistische, antikommunistische und/oder antisemitische Partei, wie die NSDAP es war, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Die konstituierten Kräfte dafür sind nun einmal „Republikaner“ und DVU, ob Schönhuber es wahrhaben will oder nicht, auch sie wählen ihn. Denn Schönhuber blauäugelt, wenn er behauptet, seine Partei sei nicht nationalsozialistisch; zumindest einige, die eine Nazi-Partei wählen wollen, denken, die REPs seien eine, und dadurch bauen auch die „Republikaner“ auf braunem Sumpf.
—Die RevolutionärInnen, die kämpfen wollen für eine bessere Welt, die Ideale haben. Selten sind sie zwar geworden, weil sich die Deutschen ihrer Ideale mehr und mehr per D-Mark entledigen, aber es gibt sie — diejenigen, die oft sozialistische Ideale haben, arbeiterInnenbewegt sind. Gerade aus der Geschichte sollten wir wissen, daß es auch solche Leute bei der NSDAP gab — bei den „Republikanern“ wird es nicht anders sein, und Schönhuber bezeichnet sich ja teilweise selbst als Sozialrevolutionär. Die harsche Gesellschaftskritik an diesem bürgerlichen Schimmelsumpf vereint sich von links und von rechts her — und da die linken Parteien abgewirtschaftet haben, fühlt sich vielleicht so mancheR RevolutionärIn bei den REPs aufgehoben.
Wir sollten uns da nichts vormachen: Die etablierten Parteien sind die Auffahrunfälle der Gesellschaft — und bei den Grünen als progressivste Kraft hat man oftmals den Eindruck, daß sie eine Massenkarambolage darstellt, die mangels Masse ausfällt. Dennoch kann es nicht angehen, auf einen protestrevolutionären rechten Zug „Republikaner“ aufzuspringen. [...] Klar werden müssen wir uns darüber, welche Gesellschaftsströme sich in dieser Partei treffen, und welche Schlagkräftigkeit sie leider durchaus dabei entwickeln könn(t)en. Sebastian Lovens, Duisburg
[...] Hat jemand mal behauptet, die REPs wären keine Demokraten, gar ausländerfeindlich oder Faschisten? Henryk M.Broder gibt dem guten Franzl endlich die Gelegenheit, diese Vorurteile auszuräumen. „Alles“ wird der Gute tun, „damit sich so etwas“ — die Überfälle auf Asylbewerber nämlich — „nicht ausbreitet“. Ja, Franzl eilte vermutlich als erster nach Hoyerswerda und sonstwohin, um die Asylbewerber zu schützen, denn: „Fürchterlich“ findet der das, diese Überfälle auf Asylbewerberheime und die Verängstigung der Menschen, und ja — „geschämt“ hat er sich! Franzl sagt uns auch, wo die wahren Ausländerfeinde sitzen, nämlich in der CDU/ CSU und in der SPD. [...]
Er, Franzl, ist ja nur antikapitalistisch, und er hat was gegen „bourgoise Anbiederer“. Er „vertritt“ ja „das Volk“, ein wahrer Volksvertreter also. Nicht einmal die Kommunisten findet er unsympathisch (Strasser war auch ein Linker!). Darüber hinaus teilt Schönhuber der interessierten taz-Leserschaft mit, daß er nämlich auf „moralische und charakterliche“ Eigenschaften Wert legt, wer hätte das gedacht.
Dies alles und noch viel mehr süßlich-klebrige Wahlwerbung darf der „Republikaner“-Chef auf der „Hintergrund“-Seite in der taz ausbreiten. Ist das der Hintergrund einer rechtsradikalen Partei? Alles nicht so schlimm? Schönhuber ein aufrichtiger Demokrat, an sozialen und humanen, ja sogar eventuell linken Vorstellungen orientiert? Eine Partei, die die „ehrliche Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich“ auf sich nimmt? Eine echte Alternative zum moralisch verkommenen „Establishment“? Ursula Frey, Berlin
Herr Broder, haben Sie keine Berührungsängste, wenn Sie mit Herrn Schönhuber reden? Andrea Kupkow, Berlin
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