: Fünf Jahre Haft für die Hünxer Attentäter
Die von den Brandbomben schwer verletzten libanesischen Kinder saßen im Gerichtssaal, als der Richter das Urteil gegen die angeklagten Rechtsradikalen verkündete/ Ein Schuldspruch ohne politische Wertung der Angeklagten ■ Aus Duisburg B. Markmeyer
Zu jeweils fünf Jahren Haft verurteilte die Jugendstrafkammer des Duisburger Landgerichts gestern zwei der Attentäter von Hünxe, zu drei Jahren und sechs Monaten den dritten Täter, André C. Die beiden Haupttäter Volker L. und Jens G. befanden die RichterInnen der gemeinschaftlichen schweren Brandstiftung und schweren Körperverletzung für schuldig, André C. wegen Brandstiftung nur der fahrlässigen Brandstiftung.
Die libanesische Famile Saado war, wie zu Prozeßbeginn am 28.April, gestern noch einmal mit ihren Kindern im Saal 201 des Duisburger Landgerichts erschienen. So hörte die achtjährige Zeinap Saado selbst das Urteil gegen die drei 18- und 19jährigen Deutschen, die sie am 3.Oktober letzten Jahres — dem Tag der deutschen Einheit — beinahe umgebracht hätten. Mit selbstgebastelten Molotowcocktails, die die drei Skins nach Mitternacht gegen das Hünxer Asylbewerberheim warfen, hatten sie das Kinderschlafzimmer der Saados in Brand gesetzt. Zeinap und ihre jüngere Schwester Mokadas erlitten furchtbare Verbrennungen, die sie ihr Leben lang entstellen werden. Das ältere Mädchen schwebte tagelang in Lebensgefahr.
Der Anschlag von Hünxe hatte die Öffentlichkeit schockiert und die Gewöhnung an rechtsradikale Gewalt gegen Flüchtlinge wenigstens zeitweise durchbrochen. „Zu niedrig“, fanden denn auch mehrere ZuhörerInnen das gestrige Urteil, zumal die jugendlichen Täter ihre Strafe nicht voll absitzen werden müssen. Die libanesische Famile Saado will in Revision gehen, weil sie das Urteil zu milde findet. Der Staatsanwalt und der Nebenklagevertreter der Familie Saado hatten Strafen zwischen neun und vier Jahren gefordert, die Verteidigung hatte für eine Bewährungsstrafe plädiert. Das Jugendstrafrecht sieht eine Höchststrafe von zehn Jahren vor.
Das Strafmaß für die Hünxer Rechtsradikalen ist jedoch juristisch gut begründet. Denn anders als in bundesdeutschen Prozessen gegen linke GewalttäterInnen bestrafte die Duisburger Kammer die Tat und nicht die politische Gesinnung der Täter, beispielsweise ihren fanatischen Ausländerhaß. Zwar wertete der Vorsitzende Richter Walter Stoy den Anschlag als „sehr schwere, heimtückische, terroristische Tat“, folgte aber der Anklage wegen Mordversuchs nicht. Denn die Angeklagten hätten keinen Tötungsvorsatz gehabt. Die Attentäter hatten vor Gericht stets betont, daß sie niemanden hatten töten wollen, das Gegenteil konnte ihnen „mit rechtsstaatlichen Mitteln“, so Stoy in der 20minütigen Urteilsbegründung, nicht bewiesen werden. Bei dem Anschlag habe es sich nicht um einen eiskalten, geplanten Mord (Mordversuch) gehandelt.
Es bleiben also schwere Brandstiftung und schwere Körperverletzung. Nach den Geständnissen der Angeklagten, die ihnen zugute gehalten wurden, war der äußere Tatablauf klar. Obwohl sie angetrunken waren, fertigten sie sachgerecht ihre Brandsätze und bereiteten gezielt die Flucht vor, bevor sie die Molotowcocktails auf das Heim warfen. Welcher Brandsatz das Fenster zum Kinderschlafzimmer durchschlug, konnte nicht geklärt werden. André C.s geringere Strafe erklärt sich daraus, daß er nicht gegen das Haus, sondern auf ein Auto warf.
Der Plan zu der Tat sei spätestens in dem Auto gefaßt worden, mit dem die Jugendlichen eine „Vereinigungsfete“ gefeiert hatten. Klar sei gewesen, daß sie Molotowcocktails benutzen würden. Daß sich die Hünxer Skins Hoyerswerda zum Vorbild genommen hatten und ihre Clique von der Ausländervertreibung in der ostdeutschen Stadt begeistert waren, erwähnte Stoy in seiner Urteilsbegründung nicht mehr. Aufgrund ihrer politischen Motivation hätten die Angeklagten den Anschlag als einen spektakulären Akt geplant, sie hätten von Gleichgesinnten bewundert werden wollen, „die Feuerwehr sollte ausrücken“. Der Vorsatz, einen Brand zu legen, sei damit eindeutig gewesen.
Günstig für die Angeklagten wirkte sich neben ihren Geständnissen weiter aus, daß sie nicht vorbestraft sind. Unter den politischen Gewaltakten, sagte der Vorsitzende Richter Stoy, habe dieser Anschlag eine besondere Dimension, da kaum etwas Schlimmeres denkbar sei als ein Anschlag auf schlafende Kinder. Vor dem Hintergrund der „ungelösten Asylfrage gegen vermeintliche oder wirkliche Mißstände mit einem solchen Anschlag vorzugehen“ bedeute „nicht nur das Ende des Rechtsstaats, sondern auch das Ende der Zivilisation“. Andererseits hätten aber auch die Angeklagten Grund, „mit ihrem Schicksal zu hadern“. Ihre Zukunft sei zerstört, „und Hünxe steht am Pranger, weil sich ausgerechnet bei diesen Angeklagten realisiert hat, was auch überall woanders hätte passieren können“. Die drei Hünxer Täter stünden auch stellvertretend für andere vor Gericht, die dasselbe getan hätten und billig davongekommen wären.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen