»Was 'n das für 'n Detektiv?«

■ Der Detektiv von heute hat erfolgreich ein Betriebswirtschaftsstudium hinter sich, ist Computerspezialist und besitzt keinen Waffenschein

Mitte. Im feinen Ostberliner Palasthotel sitzen freundliche Herren, zumeist reiferen Alters, auf schwarzen Ledersofas in der Vorhalle und parlieren. Trotz der Hitze sehen sie gepflegt und frisch aus. Nur wenige Anzüge, viele weiße Polohemden. Ein Mann sitzt etwas abseits und spricht in sein Funktelefon.

Alle sehen gelassen und friedlich aus, aber wie das so ist, einer muß natürlich quengeln. Der Journalist von der 'Welt‘ hebt sich äußerst unvorteilhaft ab von den seriösen Herren ringsum. Den mächtigen Bauch mit einem zu jugendlichen T-Shirt bekleidet und die Halbglatze notdürftig von einem Baseballmützchen bedeckt, nölt er: »Der hat ja noch nicht mal 'nen Waffenschein. Was 'n das für 'n Detektiv?« Das Treffen des Bundes Deutscher Detektive (BDD) befriedigt sein Gemüt nicht. Möglicherweise erwartete er Jean-Claude- van-Damme-Kopien, die ihre Revolver schwingen und die Lampen im Palasthotel massakrieren.

Lächerlich. Wer als Detektiv richtig Geld verdienen will, sollte den Nachweis eines abgeschlossenen Betriebswirtschaftstudiums vorlegen sowie ein Diplom als IHK-geprüfter Detektiv, einen Auszug aus seiner Schuldnerkartei und ein polizeiliches Führungszeugnis. Dann hat er Chancen, in einer der fünfzehn großen Wirtschaftsdetekteien der Bundesrepublik Aufnahme zu finden. Fortan wird er am Computer die Schuldigen der letzten großen Bilanzfälschung bei Mercedes aufspüren. Neben Cleverness schadet auch nicht die Erkenntnis, daß dies eine verkommene Welt ist. BDD-Pressesprecher Lothar Wenzel verströmt vernünftiges Rechtsempfinden und Fürsorge für den Bürger, wie ein Weihnachtsengel liebliche Güte. Mangelndes Unrechtsbewußtsein mache sich in der Gesellschaft breit, seufzt er. Schon Mamas kleiner Liebling wüßte, wie der Hase läuft, habe er erst einmal erlebt, wie bei der Diebstahlsanzeige sein altes Schrottrad zu einem teuren Mountainbike mutiert. Aber der Detektiv ist für jeden da — vorausgesetzt, er kann etwa 1.500 Mark plus Spesen pro Tag aufbringen — und bringt ein wenig Gerechtigkeit in diese korrupte miese Welt.

Sieht man die Herren, erscheint es ganz unglaublich, daß dieses Gewerbe auch seine schmierigen Seiten hat. Wer sich nach der Reform des Scheidungsrechts kläglich als Warenhausdetektiv über Wasser hielt, sieht in Zeiten von Aids wieder Land. Bevor Hans-Otto sich heute entschließt, das Wagnis der Ehe einzugehen, begehrt er nicht selten Auskunft über die sexuelle Vergangenheit seiner Verlobten. Und will er es nicht wissen, interessiert sich möglicherweise Schwiegervater dafür.

Dem Herrn von der 'Welt‘ genügt das nicht. Er will erfahren haben, daß auch ein israelischer Detektiv anwesend ist. »Der war bestimmt beim Mossad«, sagt er in diesem »Ich weiß doch Bescheid, wie's da läuft«-Ton. Der Detektiv neben ihm lächelt gequält. Dann geht er in den Konferenzsaal, um über die neue Satzung abzustimmen. Anja Seeliger