: Substanz angebohrt
■ Ulrich Görlich und Olaf Metzel: »Holzschnitte«
Daß politische Kunst nicht immer plakativ und platt sein muß, die kritische Thematisierung von Gewalt in der Kunst nicht durch die Reproduktion medieninflationär verbrauchter Bilder, sondern nur durch den Einsatz einer spezifisch künstlerischen Technik erfolgen kann, das hat Olaf Metzel mit seinen bisherigen Skulpturen und Installationen unter Beweis gestellt.
Erinnert sei an die spektakuläre Arbeit von 1982: Metzel fräste mit dem Trennschleifer ein Hakenkreuz in eine Wohnungswand und bot diese politisch-künstlerische Aktion per Zeitungsinserat als »Türkenwohnung, Abstand 12.000 Mark VB« an. Oder an die biedere Gemüter provozierende Skulptur 13.4.1981, die mit aufeinandergestapelten Polizeiabsperrgittern an die gewalttätige Ku'damm-Demo zum Tod von Günter Sare in Frankfurt erinnerte und während des »Skulpturenboulevards« gegenüber dem Café Kranzler aufgestellt war. Auf der Metropolis- Ausstellung war Metzel zuletzt mit einem »dekonstruierten«, das heißt einem zersägten, zertrümmerten und wild aufeinandergeschichteten Basketballspielfeld vertreten.
Der 1952 in Berlin geborene Bildhauer (im wörtlichen Sinne) hat jetzt mit dem gleichaltrigen Fotografen Ulrich Görlich zusammengearbeitet. Görlich, wie Metzel auch in der Metropolis-Ausstellung und auf der letzten documenta vertreten, entwickelt seine Fotos in einer Art moderner Freskotechnik direkt auf dem weißen Putz der Ausstellungswand. Das geschieht mittels einer lichtempfindlichen Emulsion, die mit einem Projektor belichtet wird. Görlichs Einzelarbeiten beziehen sich jeweils auf den bestimmten Ausstellungsort, wobei implizit — wie bei Metzel — auch politische Themen zum Tragen kommen, so 1990 bei einer Projektion des Berliner Reichstages im Kunstverein der damaligen Hauptstadt Bonn oder auch von Bildern der zerbombten Stadt Münster im dortigen Kunstverein.
Als Gemeinschaftsarbeiten der beiden sind in der Galerie Fahnemann elf Spanplatten mit Fotoemulsionen von Görlich, die Metzel anschließend mit der Bohrmaschine bearbeitet hat, zu sehen. Da diese Holzschnitte im Großformat von 125x95cm transportabel sind und keinen spezifischen Ausstellungsort brauchen, macht Görlich das Material der Spanplatten selbst zum Thema seiner Schwarzweißfotos. Abgebildet sind einzelne Möbelstücke, ein Bretterhaufen, Kochlöffel, eine Gartenbank, ein Baum, ein Wald. Die Oberfläche der Spanplatte verleiht den Fotos die braunstichige Patina des Veralteten, wie sie auch die neuesten Kinowerbefilme mit Vorliebe benutzen.
Metzel bohrt mit seiner Maschine durch die Fotos in den Untergrund und legt das helle unbearbeitete Holz darin frei. Dicke Rillen, Löcher, ganze Bandmuster werden in die Fotos gefräst. Metzel zerfetzt den illusionistischen Schein der Fotos und legt die Substanz frei, aus der die in ihnen abgebildeten Gegenstände bestehen. Die Gewalt, die sich in der Zerstörung der Bilder ausdrückt, trägt Züge von Wahrheitsfindung.
Auf den zweiten Blick wird klar, daß der Einsatz der Bohrmaschine in genauer Kalkulation auf die jeweilige Fotovorlage erfolgt und deren Gegenständlichkeit trotz allem bewahrt. Der Stuhl wird durch flache Ausfräsungen in seiner Gestalt noch hervorgehoben, eine altertümliche Uhr erhält eine zusätzliche Bandwerkverzierung, das Ambiente eines »Chippendale«-Tisches mit Yucca- Palme Bohrungen im Hans-Hartung- Stil der 50er Jahre; ein chaotischer Bretterhaufen wird sparsam mit einem trapezförmigen Muster konterkariert.
Auch wenn bei den jetzt ausgestellten Gemeinschaftsarbeiten kein expliziter politischer Hintergrund zu entdecken ist, im zeitgemäßen Spiel von Zerstörung und Bewahrung und in der Professionalität ihrer Ausführung überzeugen die Werke unmittelbar. Werner Köhler
Bis 6. Juni, Di.-Fr. 13-18.30 Uhr, Sa. 11-14 Uhr, Galerie Fahnemann, Fasanenstr. 61
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen