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Den leeren Wohnungen auf der Spur

■ In ganz Berlin stehen schätzungsweise 17- bis 20.000 Wohnungen und Villen leer/ Neuvermietungen werden meist durch ungeklärte Eigentumsfrage verhindert/ Fahnder ermitteln unbewohnte Häuser

Berlin. Weiterhin besteht Unklarheit über die Anzahl leerstehender Wohnungen im Stadtgebiet. Die Schätzungen gehen, je nach Standpunkt, auseinander: MietervertreterInnen sprechen von mindestens 20.000, MitarbeiterInnen der Senatsbauverwaltung von knapp 17.000 leerstehenden Wohnungen. Fest steht aber, daß nicht nur die östlichen Stadtbezirke betroffen sind. Selbst im Nobelbezirk Zehlendorf gehören leerstehende Villen zum Alltagsbild.

»Wir gehen von insgesamt 16.000 bis 17.000 leerstehenden Wohnungen aus«, erläutert Dieter Geffers die Zahlen der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen. »In diesen Zahlen sind allerdings Wohnungen enthalten, die bereits saniert werden oder für die Baumaßnahmen beantragt wurden.« So würden derzeit 2.470 Wohnungen renoviert. Für 6.488 seien Bauanträge gestellt. »Auch die rund 1.000 besetzten Wohnungen sind da mitgezählt«, sagt Geffers, Verantwortlicher für die Stadterneuerung. Hartmann Vetter, Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), möchte sich nicht auf genaue Zahlen festlegen: »Wir können uns da nur auf die offiziellen Zahlen verlassen.« Jedoch schätzt er, daß im Westteil rund 1.000 Wohnungen leerstehen. »Unsere Erkenntnisse sind da rein subjektiv«, erklärt er. Für West-Berlin sei meistens die Erwartung auf einen hohen Spekulationsgewinn Ursache für den Leerstand. Die Umwandlung in Eigentumswohnungen oder Gewerberäume stehe in solchen Fällen dann kurz bevor.

Der BMV-Geschäftsführer weist auf ein weiteres Problem hin: »Es gibt Wohnungen, die tatsächlich frei sind, aber rechtlich eben nicht. An die kommt man nicht heran.« Denn oft bestehe ein legaler Mietvertrag für eine Wohnung, die gar nicht bewohnt sei. Die Dunkelziffer sei in diesen Fällen besonders hoch. »Drei- bis viermal mehr« als die geschätzten 1.000 Wohnungen könnten das sein, meint Vetter. »Wenn wir von solchen Dingen erfahren, schreiten wir sofort ein.« Denn der Leerstand von Wohnraum sei schlicht ein »Skandal«. Darum sei es auch sinnvoll, sich auf dessen Beseitigung zu konzentrieren. Ein Zwangsgeld für unvermietete, leerstehende Wohnungen von bis zu 100.000 DM »nützt in der Regel auch«.

Spitzenreiter in Sachen Leerstand sind die Ostberliner Innenstadtbezirke Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Ganz vorne liegt in diesem Trio Prenzlauer Berg mit rund 5.500 leerstehenden Wohnungen, in Friedrichshain sind es 4.500, in Mitte 1.500. Unkonventionelle Methoden, um diesen Mißstand schnell zu beheben, wenden inzwischen alle drei Bezirke an. Beispielsweise wurden im Bezirk Friedrichshain neun ABM-Kräfte als FahnderInnen eingestellt, um Leerstand zu ermitteln.

Und: Die Wohnungsbaugesellschaft im Prenzlauer Berg (WiP) vergibt, wie zu DDR-Zeiten, sogenannte Ausbauwohnungen, die die MieterInnen selbst instandsetzen und anschließend mietfrei bewohnen können. Diesem Modell will sich demnächst auch der Bezirk Mitte anschließen. »Am 21. Mai werden wir uns mit der Wohnungsbaugesellschaft Mitte zusammensetzen und ein Konzept für insgesamt 500 Wohnungen erarbeiten«, kündigt Reimer Dunkel, Leiter des Wohnungsamtes in Mitte, an.

Dem Amtsleiter stehen sieben SachbearbeiterInnen in einer »Arbeitsgruppe Zweckentfremdung« zur Verfügung, zu dem juristisch auch der Leerstand zählt. »In 36 Fällen haben wir ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet«, gibt Dunkel preis. Mittels verschiedener Förderprogramme würden dieses Jahr zusätzlich 331 Wohnungen renoviert. Für die Ostbezirke entwickelte der Senat ein Programm zur Leerstandsbeseitigung mit einem Volumen von 224 Millionen DM für 2.400 Wohnungen. Des weiteren gibt es noch Förderungsmöglichkeiten aus dem Programm der Stadterneuerung. Das geht über das Heizungsprogramm bis zur Modernisierung durch die Mieter.

»Die 1.500 leerstehenden Wohnungen im Bezirk sind solche, die bei uns in Bearbeitung sind«, stellt Reimer Dunkel fest. Er möchte nicht ausschließen, daß noch mehr Wohnungen unbewohnt sind: »Ich möchte da nicht spekulieren.« Hinweisen aus der Bevölkerung will Dunkel dabei auch nachgehen.

Sowohl der BMV als auch Hans Hassler von der Berliner MieterGemeinschaft (BMG) stehen dem Konzept der Eigeninitiative skeptisch gegenüber. »Das ist kein gutes Geschäft«, meint Hassler. Trotz Mietfreiheit müssen die MieterInnen die Betriebskosten in Höhe von 1,80 DM pro Quadratmeter bezahlen. »Oftmals müssen bis zu 30.000 DM investiert werden bei einer Mietfreiheit von nur zwei Jahren«, betont der BMG-Vertreter. »Auch die Ostberliner Wohnungsbaugesellschaften sind verpflichtet, Wohnraum instand zu halten«. Demnach sei der Leerstand auch bei ihnen gesetzwidrig.

Größtes Handikap in Ost-Berlin aber, so bestätigen alle Fachleute, bleibt die ungeklärte Eigentumsfrage. »Wozu sollen die Wohnungsbaugesellschaften und der Senat Geld in Häuser stecken, die sowieso privatisiert werden?« fragt Hassler.

Doch auch in Zehlendorf existiert Leerstand. Rund 84 Villen sind unbewohnt. »Einige schon seit mehreren Jahren«, erzählt Camilla Werner von der AL des Bezirks. »Für Villen gibt es allerdings keine Fördermittel«, weiß Geffers. Stephan Balig

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