: Sparbuch: Zeit des Absahnens vorbei?
■ Bundeskartellamt kritisiert das Banken- und Sparkassenkartell wegen „mißbräuchlich niedriger“ Sparbuch-Zinsen/ Noch immer lagern 500 Milliarden Mark auf den deutschen Niedrigstzins-Konten
Berlin (dpa/taz) — Was Verbraucher-Initiativen seit Jahren anprangern, hat jetzt auch das Bundeskartellamt aktiv werden lassen: Der niedrige Zins, den Banken und Sparkassen auf Sparbuch-Guthaben zahlen. Das Bundeskartellamt hat den privaten Großbanken und den öffentlich-rechtlichen Sparkassen vorgeworfen, die „Spar-Eckzinsen für Einlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist“ (gemeint sind Sparbuch- Zinsen) künstlich unter Wettbewerbsniveau zu halten und so mißbräuchlich „eine marktbeherrschende Stellung“ im Bereich dieser Spareinlagen auszunutzen.
In einem Brief des Berliner Kartellamts an den Vorstandssprecher der Deutsche Bank AG (Frankfurt), Hilmar Kopper, heißt es, er sollte seine kürzlich geäußerte „Erkenntnis, daß der Spareckzins offensichtlich zu niedrig ist, schnell in die Tat“ umsetzen. „Wer sollte Sie auch daran hindern können?“ fragen die Wettbewerbshüter süffisant, schließlich werde diese Erkenntnis „sicher von allen Sparern und auch der Bundesbank geteilt“.
Auf das Geld, das auf normalen Sparbüchern ruht, zahlen die Geldinstitute magere 2,5 bis drei Prozent. Das ist derzeit deutlich weniger als der Geldwertverlust durch die Inflationsrate von über vier Prozent und nur ein Bruchteil dessen, was PrivatkundInnen bei Banken und Sparkassen an Zinsen zahlen müsen, wenn sie ihr Konto überziehen. Trotz der mageren Dotierung haben die Deutschen gut 500 Milliarden DM auf „Konten mit gesetzlicher Kündigungsfrist“, den Sparbüchern, geparkt, knapp ein Viertel aller Einlagen bei den Kreditinstituten.
Für die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung spricht nach Meinung des Kartellamts auch, daß kleinere Privatbanken wesentlich höhere Spareckzinsen anböten. Kopper hatte kürzlich öffentlich verkündet, daß die Deutsche Bank binnen 24 Stunden nachziehen werde, wenn die Sparkassen diesen untersten Zinssatz für das einfache Sparbuch anheben würden.
Diese Äußerung deutet das Kartellamt nun so, daß sich die Deutsche Bank ohne die Vorreiterrolle der Sparkassen daran gehindert sieht, unabhängig über eine Anhebung des Spareckzinses zu entscheiden. Eine Einigung zwischen maßgeblichen Wettbewerbern über eine Preisführerschaft der Sparkassenorganisation wäre aber „kartellrechtswidrig“. Offenbar enthielten sich zumindest die großen Privatbanken eines Preiswettbewerbs um solche Spareinlagen.
Der Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Horst Hennemann, erklärte auf Anfrage, es gebe sehr wohl auch in diesem Bereich Wettbewerb. Vielerorts vergüteten die Sparkassen ihren KundInnen höhere Sparzinsen als die Deutsche Bank, weshalb diese nicht auf eine Erhöhungsrunde der Sparkassen warten müsse. So betrage der Spareckzins bei den Sparkassen in Einbeck (Niedersachsen) und Landshut (Bayern) sowie in Großstädten wie München und Duisburg drei Prozent und sei dort höher als bei der Deutschen Bank.
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Ingrid Matthäus- Maier, begrüßte das Vorgehen des Bundeskartellamts. Die steuerbevorteilten Sparkassen sollten mit dem Eckzins zumindest die Inflationsrate ausgleichen. Die SPD-Politikerin forderte das Kartellamt auf, auch gegenüber anderen Kreditinstituten tätig zu werden. Kopper habe zweifellos recht, wenn er darauf hinweise, daß die Sparkassen Marktführer bei den Spareinlagen seien.
Die traditionell spärliche Dotierung der Sparbücher begründen Banken und Sparkassen mit der Möglichkeit des schnellen Zugriffs: „Die niedrigen Zinsen sind der Preis für die Liquidität.“ Mit der allerdings ist es auch nicht sehr weit her: Von ihren Sparbüchern dürfen die SparerInnen bislang laut Gesetz binnen 30 Tagen 2.000 DM abheben. Höhere Beträge müssen drei Monate zuvor gekündigt werden — oder werden mit Strafzinsen belegt. Den „Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung“ der Großbanken und Sparkassen, den das Kartellamt anprangert, braucht sich allerdings niemand gefallen zu lassen: Schaffen Sie Ihr Sparbuch doch einfach ab! dri
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