Ist der heiße Sommer nichts für Kinder?

■ Was tun mit den Kleinen, wenn die Sonne brennt?/ Hohe Ozonwerte und starke Sonnenstrahlung können gefährlich werden

Berlin. Während sich die einen genüßlich in der Sonne aalen, meiden andere die Sonne stärker denn je. Krebsgefahr durch UV-Strahlen und Atemwegserkrankungen durch das giftige Ozon sind heftig umstritten. Weder Verharmlosung noch Panik sind begründet, meinen Ärzte und Mitarbeiter in den Berliner Beratungsstellen.

Doch die Sorge gerade junger Eltern ist groß. Die Empfehlung der Senatsumweltverwaltung ist denkbar einfach: Die Menschen sollen »vor allem ihren Kopf benutzen«. Sprecher Dolf Straub verweist auf die Länder im Süden Europas, »wo die Menschen längst wissen, daß sie die pralle Mittagssonne besser meiden«. Nur in Deutschland bräuchten die Bürger »ein Kindermädchen und rufen nach dem Staat«. Als Anleitung empfehle er das Kinderbuch »Der Struwwelpeter«. Dort heißt es: »Die Sonne brannt' ihm aufs Gehirn, da nahm er einen Sonnenschirm.« Dieser schütze vor übermäßiger UV-Strahlung und »ein kühler Kopf funktioniert besser — nur Würstchen braten gern«.

Solche Auskünfte empfinden viele junge Eltern als zynisch: Durch das Ozonloch und die zunehmende Umweltbelastung sei ein Grad der Bedrohung erreicht, der in dieser Form neu sei und daher berechtigte Angst mache. Trotzdem sei sie »geschockt über die Härte gewesen«, berichtet eine junge Mutter, mit der ihr die Umwelt-Beratungsstelle abgeraten habe, »nachmittags mit meinen Kindern rauszugehen«. Der vier Jahre alte Tom sei als rothaariges Kind und wegen einer Sonnenallergie besonders gefährdet, und Gianni, weil er erst sechs Monate alt ist.

Inzwischen finde die Mutter diese Deutlichkeit der Beratung »ganz in Ordnung, denn irgendwann müssen die Leute ja mal aufwachen: Einen Generalstreik für die Umwelt finde ich jetzt viel angesagter als für 9,5 Prozent mehr Lohn.« Unverständlich sei ihr, daß »die Leute unvermindert viel mit dem Auto fahren«.

Ein kurzfristiges Fahrverbot hält Schönebergs stellvertretende Amtsärztin Helga Heidbüchel bei Sommersmog aber nicht für sinnvoll: »Die Stickstoffe bauen Ozon ab, daher sind die Werte an der Autobahn niedriger als im Wald.« Langfristig müsse der motorisierte Individualverkehr als einer der Hauptumweltzerstörer aber drastisch reduziert werden. Heidbüchel empfiehlt Eltern, Kinder bei den hohen Ozonwerten keinen Leistungssport treiben zu lassen, »auch wenn gesunde Kinder momentan nicht gefährdet sind«.

Besonders am Nachmittag sind die Ozonwerte zur Zeit extrem hoch, da Ozon durch starke Sonneneinstrahlung aus den Stick- und Schwefeloxiden entsteht. Die Gefährdung ist im Umland von Ballungsgebieten mit hohem Schadstoffausstoß besonders groß, da das Gas dort in giftigen Mengen gebildet, nicht aber durch neue Oxide abgebaut werden kann. Die Kettenreaktion ständiger Neubildung und nachfolgender Neubildung hält die Werte in Ballungsräumen selbst verhältnismäßig niedrig.

Marlies Wanjura (CDU), Gesundheitsstadträtin und voraussichtlich bald Bürgermeisterin von Reinickendorf, rät vor allem zu vernünftiger Ernährung: »Viel Flüssigkeit, Mineralien und Vitamine« seien unverzichtbar, »ruhig auch mal eine kräftige Brühe«. Auf Kinderspielplätzen sollten »Eltern öfter mal einen Sonnenschirm im Sandkasten aufstellen und die Kinder zudem einreiben, mindestens mit Sonnenschutzfaktor acht bis zwölf«. Vorsicht sei auf jeden Fall geboten, so die gelernte Krankenschwester, weil die UV-Strahlung aufgrund des Ozonlochs deutlich stärker geworden sei: »Gerade Kinder bekommen mit ihrer empfindlichen Haut leichter einen schmerzhaften Sonnenbrand.«

Zu stärkeren Belastungen durch das Ozonloch gebe es noch keine hinreichenden Untersuchungen, widerspricht eine Schöneberger Kinderärztin, doch auch sie appelliert an die Vernunft der Eltern: »Auf keinen Fall sollten Kinder ohne Kopfbedeckung in der prallen Sonne rumlaufen. Schließlich haben sie nur wenige und dünne Haare, die Gefahr eines Sonnenstichs ist wesentlich höher als bei Erwachsenen.« Diese durch Hitze verursachte Schwellung des Gehirns führe zu starken Kreislaufschwächen und könne dann sogar tödlich sein.

»Auch wenn braun sein wohl schick ist«, kritisiert die Ärztin, »sich mit Kindern stundenlang am Strand braten zu lassen, ist unverantwortlich.« Christian Arns