: Naturschutz wird noch immer verlacht
Der 21.deutsche Naturschutztag geht heute zu Ende/ Hoffen auf ein neues Naturschutzrecht/ „Verarschung“ beim Schutz des Wattenmeeres ■ Aus Lübeck Vera Stadie
Der deutsche Umweltgipfel geht heute zuende. Zum 21.Naturschutztag waren seit dem 31.Mai in Lübeck knapp 500 Fachleute zusammengekommen. Sie diskutierten die Neufassung des Naturschutzrechtes in Bund und Ländern und das Thema „Naturschutz und Wasser“.
Es gebe Grund zum Feiern, eröffnete Schleswig-Holsteins Umweltminister Dr. Berndt Heydemann den versammelten Landschaftspflegern, Wissenschaftlern und Praktikern. In den letzten Wochen wären mehr Erfolge für den Naturschutz errungen worden, als im halben Jahrhundert zuvor. Einen Durchbruch für die Natur nannte der parteilose Umwetlminister die „Lübecker Grundsätze des Naturschutzes“, die 16 Landesminister in der vergangenen Woche unterzeichneten. Auch daß gestern nach langwierigen Vorbereitungen und Diskussionen das Landesnaturschutzgesetz für Schleswig-Holstein in erster Lesung vor den Landtag kam, verbucht der Ökologieprofesor als Erfolg.
Dieses Gesetz lobt zwar Prof. Günter Preuss, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft beruflicher und ehrenamtlicher Naturschutz (ABN) als „beispielhaft und bahnbrechend“. Dennoch sehen die haupt- und nebenamtlichen Kämpfer für die Natur wenig Grund zum Feiern. Die Stimmung in den Verbänden sei nicht so positiv, berichtet Prof. Reinhard Sander, Vizepräsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), einem Zusammenschluß von 98 Natur- und Umweltorganisationen. „Das Bundesnaturschutzgesetz kommt nicht über die Runden“, kritisiert Sander. Zwar hat die Bundesregierung schon vor fünf Jahren die Neufassung zugesagt, bisher liegt aber noch kein autorisierter Entwurf vor. „Und was wir bisher in den Schubladen gesehen haben, war nicht gerade verheißungsvoll“, so der DNR-Präsident. Heute wollen die in Lübeck versammelten Naturexperten ihre gemeinsamen Empfehlungen zum Bundesnaturschutzgesetz beschließen. Zentrale Punkte werden die Eingriffsrechte auch für nichtamtliche Umweltschützer und die seit langem geforderte Verbandsklage sein.
Eine große Niederlage sehen die Vertreter aller Naturorganisationen in der Befahrensregelung fürs Wattenmeer. Nach sechsjährigem Tauziehen ist jetzt drei Stunden vor Niedrigwasser verboten, den Nationalpark zu befahren. „Eine Verarschung“, schimpft Sander, die Regel bedeute nichts anderes, als daß auf Sand und Schlick keine Schiffe fahren dürfen. Die Teilnehmer des Naturschutztages forderten für die Kerngebiete der Nationalparks ganzheitliche Ruhezonen und ein Verbot des Sportbootverkehrs.
Pfingsturlauber an der Nordsee können ihren Teil zum Wattschutz beitragen. Lothar Koch von der Schutzstation Wattenmeer wies in Lübeck darauf hin, daß Dank der milden Witterung die Seevögel schon mitten im Brutgeschäft sind und die Wurfzeit der Seehunde beginnt. Er erinnert die Besucher nochmal daran, auf den Wegen zu bleiben, Hunde an kurzer Leine zu halten, in Dünen, Watt oder Salzwiesen keine Drachen steigen zu lassen und nur mit sachkundiger Führung ins Watt zu laufen.
Auch Heydemann räumte in seiner Festrede ein, der Naturschutz in der Politik nach wie vor nicht ernst genommen. „Alles fängt an zu lachen, wenn einer erzählt, er will die Schmetterlinge oder Glühwürmchen retten.“ Eine Integration des Naturschutz in die Gesellschaft fordert Heydemann und gibt dafür ein Rezept: Gerade in einer Zeit besonderer finanzieller Beanspruchung müßten die wirtschaftlichen Fähigkeiten im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Ein gesunder Boden reinigt das Grundwasser zum Nulltarif, der Wald säubert die Luft kostenlos von Schadstoffen und der Fremdenverkehr verkauft schließlich vor allem saubere Badegewässer und eine schöne Gegend.
In vielen Vorträgen auf der Naturtagung kam die Abkehr vom veralteten Reservatsschutz zum Ausdruck. Ein Fluß kann nur zusammen mit seiner Auenlandschaft erfolgreich erhalten werden, Seen und Moore nur, wenn auch das Umland geschützt ist. „Auch nach unseren Maßstäben riesige Reservate können ökologische Prinzipien im Denken und Planen nicht ersetzen“, so Tagungsleiter Prof. Wolfgang Erz. Das zeigten die inzwischen 90jährigen Erfahrungen in Deutschland, wo auch Naturschutzgebiete und Naturparke von zehntausenden Hektar die Zerstörung nicht aufhalten und erst recht keine Umkehr des Trends bewirken konnten. Vera Stadie
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