Veba-Imperium im Wachstumsrausch

Über 700 Firmen gehören dem größten deutschen Energiekonzern an/ Mit Atomstrom und Wieder- aufarbeitung auf Expansionskurs/ Nach Rekordumsatz erhalten AktionärInnen höhere Dividende  ■ Von Donata Riedel

Düsseldorf (taz) — Wie einträglich doch das Geschäft mit Atom- und Kohle-Strom, Öl, Chemie und Baustoffhandel sei, wurde Klaus Piltz gestern nicht müde zu betonen. Der Vorstandsvorsitzende der Veba AG wollte bei der Hauptversammlung damit vor allem jene Eigentümer besänftigen, die seit Monaten über die zu geringen Erträge aus den vielfältigen Geschäften des größten deutschen Energiekonzerns klagen. Statt elf Mark dürfen die Veba-AktionärInnen nach den Höchstmarken bei Umsatz (59,5 Milliarden Mark) und Gewinn (1,2 Milliarden Mark) in diesem Jahr nun zwölf Mark pro Aktie als Dividende kassieren.

Das Unbehagen der AktionärInnen richtete sich gegen das Konzept des hemmungslosen Konzernwachstums, das Piltz und seine Vorstands- Mannen auch in diesem Jahr weiterverfolgen wollen: Über 700 Firmen gehören schon zum Düsseldorfer Energie-Imperium, die wichtigsten davon sind der norddeutsche Strom- Monopolist Preussen Elektra, der Chemiekonzern Hüls AG, die Veba- Oel AG sowie die Bau-Dienstleister Stinnes und Raab-Karcher. Allein im Jahr 1989, als der Konzern wegen des Ausstiegs aus Wackersdorf Schlagzeilen machte, akquirierte die Veba 120 Firmen. Für dieses Jahr sind für Investitionen 30 Milliarden Mark vorgesehen, ein großer Teil davon für Unternehmenskäufe; in den neuen Bundesländern allein will die Veba für sieben Milliarden Mark einkaufen gehen. Bereits im Entstehen ist dort unter anderem ein Braunkohlekraftwerk in Schkopau, das 1,2 Milliarden Mark teure Steinkohlekraftwerk in Rostock, sowie Ausbauten und Modernisierungen bei der Petrolchemie und Kraftstoff AG Schwedt für 1,5 Milliarden.

Ganz oben auf der Tagesordnung des Vorstands dürfte in diesem Jahr die geplante 49-Prozent-Beteiligung bei der französischen Cogema stehen, der Betreiberin der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague (s. taz v.30.4.92). Trotz der verlustträchtigen Cogema-Bilanzen macht der Einstieg Sinn: Seit Piltz-Vorgänger Rudolf von Bennigsen-Foerder zur Verblüffung der Politiker 1989 den Ausstieg der Industrie aus Wackersdorf verkündete, soll La Hague nun der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente aus den Atomkraftwerken der Veba-Tochter Preussen Elektra dienen.

Damit setzen die Veba-Strategen weiter auf die Wiederaufarbeitung — im Gegensatz zu anderen Atomstromern wie dem RWE, das am liebsten sofort zur direkten Endlagerung in Gorleben und im Schacht Konrad umschwenken würde. Doch die Lektion aus den Protesten gegen Wackersdorf sitzt bei den Veba-Managern tief. Und ebenso unvergessen ist das Wort des früheren CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht von der politischen Nichtdurchsetzbarkeit Gorlebens. „Die Arbeiten zu den Endlagerprojekten Gorleben und Konrad kommen aufgrund der Haltung der niedersächsischen (rot-grünen/d. Red.) Landesregierung nur zögernd voran“, konstatieren die Veba-Manager.

Den höchsten Beitrag zum Ertrag von 1,26 Milliarden Mark (Umsatz: knapp 60 Mrd.) brachte 1991 die Sparte Strom mit 628 Millionen Mark (Umsatz: 11,7 Mrd. DM). Dabei konnte die Veba vor allem wegen des gestiegenen Verbrauchs in Westdeutschland 6,3 Prozent mehr Strom absetzen. Der Anteil des Atomstroms verringerte sich von 45,2 Prozent auf 41,6 Prozent; der der Steinkohle stieg von 44,1 auf 47,8 Prozent. Erdgas, Wasserkraft und Öl trugen lediglich mit 4,4 Prozent zur Veba-Stromerzeugung bei. Ausdrücklich beklagte der Vorstand die verlustreiche Zeit, die nach Reparaturen in Atomkraftwerken verstreiche, bis die Wiederanfahrgenehmigungen erteilt würden.

In bezug auf Umwelt- und Klimaschutz zeugt der Geschäftsbericht 1991 von einem grundsätzlichen Dilemma. „Der Veba-Konzern ist bereit, sich in allen seinen Geschäftsfeldern auch den globalen Anforderungen zum Schutz der Umwelt zu stellen und den Faktor Natur in noch stärkerem Maße zu berücksichtigen“, heißt es da im Absatz nach der Erkenntnis, daß Umweltschutz heute nicht mehr ein vor allem lokales, sondern ein weltweites Problem sei. Deshalb engagiere sich die Veba- Tochter Kraftwerke Ruhr AG auch in ganz fernen Ländern wie China mit „umfangreichem Know-how- Transfer“, um den Ausstoß von Schadstoffen verringern zu helfen. Gleichzeitig verdient der Konzern am Verkauf von möglichst viel Strom; so betrachtet der Konzern die Erweiterung des energiepolitischen Zielkatalogs „Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit“ um die neuen gleichrangigen Ziele „Umweltverträglichkeit und Ressourcenschonung“ mit einer gewissen Reserviertheit. Um trotz deutscher Energiesparziele den Stromabsatz vergrößern zu können, heißt das Ziel nach der „Marktdurchdringung“ der neuen Bundesländer nun Osteuropa: Mit Rußland, der CSFR, Polen und Ungarn gebe es bereits Vereinbarungen über einen Know-how-Transfer im Energie-, Handels- und Verkehrsbereich, sagte Piltz gestern vor den 3.500 der 543.000 AktionärInnen. Trotz der Konjunkturschwäche im Chemiebereich blicke er „verhalten optimistisch“ in die Zukunft des Konzerns.