: Eine Ost-Partei für den Osten?
Politiker von Diestel (CDU) bis Gysi (PDS) basteln an einem gemeinsamen ostdeutschen Bündnis der Vereinigungsverlierer gegen die Bonner Großparteien/ Eine Chance für die PDS ■ Aus Berlin Matthias Geis
Vermasselte Einheit, Parteienverdrossenheit, sinkende Wahlbeteiligung — was tun? Zumindest im Osten Deutschlands wird derzeit an einer Lösung gebastelt: die Ost-Partei. Glaubt man den Protagonisten des Projektes, steht sie kurz vor der Gründung. Ein illustres Spektrum an Namen wird mittlerweile mit der Sammlungsbewegung-FNL in Verbindung gebracht. Selbstredend ist Peter-Michael Diestel, der gerade geschaßte brandenburgische CDU- Fraktionsvorsitzende und routinierte Querschläger, mit von der Partie; dazu Lothar de Maizière, vor Jahresfrist unehrenhaft aus seinen Ämtern in der Bundes-CDU entlassen, nachdem er seine Pflicht als letzter DDR- Ministerpräsident erfüllt hatte. Am erstaunlichsten ist der Dritte im Bunde: Gregor Gysi, Vorsitzender der SED-Nachfolgepartei PDS.
Diestel und Gysi, auf den ersten Blick eine eher spröde Mischung — einzige Gemeinsamkeit, die ins Auge springt: beide haben als Rinderzüchter angefangen. Doch mit Ost-Identität als Background und Ost-Lobbyismus als Programm ließen sich — mit entsprechender PR- Arbeit — beide als Aushängeschilder für die neue Formation schon modeln: Berechtigte Unzufriedenheit über gebrochene Einheitsversprechen, Korrekturen der Ost-Politik im Schneckentempo, Dominanz des West-Personals in nahezu allen strategisch bedeutsamen Funktionen von Politik und Wirtschaft — der Resonanzboden für einen Parteiappell an die Einheitsverlierer wäre vorhanden. Gregor für den linken, Diestel für den eher konservativen Flügel, das könnte Sinn machen.
In den ersten Stellungnahmen freilich klingt alles eher noch sanft- drohend: So stellt Diestel etwa die integrative Funktion einer „ostdeutschen Partei“ heraus. Dann etwas deutlicher: „Das Armenhaus Deutschlands muß sich effektiv gegenüber den reichen Vierteln darstellen.“ Den etablierten Parteien gelänge es nicht, die Menschen in der ehemaligen DDR zu überzeugen.
„Viele Themen könnten den Leuten nahegebracht werden, die bislang kaum angenommen werden, weil sie aus der PDS-Ecke kommen.“ So umschreibt Gregor Gysi das zentrale Dilemma seiner Partei und damit zugleich die Motivation führender PDSler, sich in die Ost-Partei-Debatte einzuklinken. Was im Dezember 89 mißlang, die Erneuerung aus dem Stande der SED, könnte zusammen mit SED-unbelasteten Personen und mit dem Drive des grassierenden Einheitsfrustes schon gelingen. Das Potential für eine Politik à la PDS kann die PDS nicht ausschöpfen. Doch, so Gysi, in einem übergreifenden Bündnis hätte die PDS durchaus Chancen, auch 1994 wieder im Bundestag vertreten zu sein.
Das PDS-Kalkül beim Techtelmechtel mit populären Randfiguren aus dem CDU-Spektrum liegt auf der Hand. Genau das aber könnte am Ende auch der Sprengsatz für das neue Bündnis werden. Ob die weltanschaulich konservative Klientel einer möglichen Ost-Partei sich als Durchlauferhitzer für sozialistisch orientierte Politik instrumentalisieren ließe, ist fraglich. Darüber entscheidet wohl nicht zuletzt der Grad der Frustration im Osten. Jenseits des Zumutbaren jedenfalls schwindet auch die Bedeutung weltanschaulicher Differenzen. Dann zählt die gemeinsame Ost-Macht. Als erster hat schon mal Karl-Heinz Blessing reagiert: „Mehr originären Einfluß für ostdeutsche Politiker in der SPD“ forderte gestern ihr Bundesgeschäftsführer.
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