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Suharto setzt auf „Schocktherapie“ als politisches Mittel

Die Armee kontrolliert jegliche politische Bewegung bis ins kleinste Dorf und auf die entlegenste Insel/ Das Militär verübt Massaker am separatistischen Widerstand/ Präsident Suharto hat Angst vor dem Erstarken der islamisch motivierten Opposition  ■ Von Dorothee Wenner

Berlin (taz) — Die Funktelefone der Demonstranten in Bangkok wurden zum Sinnbild eines neuen thailändischen Mittelstandes gegen die Bevormundung durch das Militär. In Indonesien mögen die Gründe für eine politische und soziale Unzufriedenheit mit der Situation in Thailand vergleichbar sein, und doch hat die Opposition im islamischen Inselreich einen völlig anderen Charakter.

Dafür ist nicht zuletzt die indonesische Armee verantwortlich, die die Unabhängigkeit des ehemals holländischen Kolonialreiches erkämpfte und daraus bis heute ihren Anspruch auf politisches Mitspracherecht legitimiert. Im Gesetz über die „Dwi Fungsi“, die „Doppelfunktion“ der Armee, wurde festgeschrieben, daß das Militär neben der äußeren genauso für die innere Sicherheit des Landes zuständig ist.

Dieser Auftrag ermöglicht den Soldaten und Generälen eine direkte Kontrolle selbst der kleinsten Dörfer auf den abgelegensten Inseln. Die Armee ist nach 1966 so zur zweiten, unsichtbaren Regierung geworden. Mittlerweile hat sich der militärische Überwachungsapparat in Indonesien so sehr perfektioniert, daß nur noch in den seltensten Fällen schwerbewaffnete Einheiten Stärke und Überlegenheit demonstrieren müssen. In der Regel genügen bis heute einzelne, zur allseitigen Abschreckung im Dorfzentrum plazierte Leichen, um jeden Widerstand gegen die Zentralmacht zu ersticken.

Suharto ist der einzige Präsident der Welt, der in seiner Autobiographie beschreibt, wie er ein illegales geheimes Todeskommando gegründet hat, mit der Absicht, „Kriminelle“ umbringen zu lassen. 1983 sollen dem unter dem Namen „Petrus“ agierenden Kommando circa 7.000 Menschen zum Opfer gefallen sein. Suharto bezeichnete diese Maßnahmen als „Schocktherapie“ für die indonesische Gesellschaft. So regiert in Indonesien, meist unbemerkt von ausländischen Touristen und Besuchern, die sich der Schönheiten Balis und der Inselwelt erfreuen, die Angst. Sie verhindert die Entstehung basisdemokratischer Bewegungen.

Die schwelenden Ressentiments gegen den „javanischen“ Kolonialismus, wie er sich auch in der massiven Umsiedlungskampagne von Bewohnern Javas in andere Teile des Inselreiches zeigt, können allerdings nur mühsam durch die Beschwörung der nationalen Einheit kaschiert werden. Wo allerdings separatistische Bewegungen die Herrschaft Jakartas in Frage stellen, wie in Aceh, im indonesisch besetzten Ost-Timor und im Westteil der Insel Papua Neuguinea, Irian Jaya, da reagiert das Militär mit aller Härte. Das zeigte sich wieder im vergangenen November beim Massaker in Ost-Timor. Die Religion — fast 90 Prozent der 180 Millionen Einwohner bekennen sich zum Islam, was Indonesien zum Land mit der weltweit größten moslemischen Bevölkerung macht — ist zugleich Kitt als auch potentielle Bedrohung des politischen Status quo.

Zur Zeit existieren in Indonesien etwa 300 islamische Organisationen, vorwiegend gemäßigt sunnitischer Ausrichtung. Aus der Vielfalt dieser Gruppen könnte jedoch eine mächtige einheitliche Bewegung erwachsen, gäbe es nur den entsprechenden Anlaß dazu. Der Präsident scheint sich der Möglichkeit einer religiös motivierten Opposition gegen die herrschenden Verhältnisse bewußt und wirbt seit einiger Zeit sehr intensiv um die Gunst der moslemischen Wortführer. Mit dem Erfolg, daß bislang die islamische Partei PPP ihn als einzigen bereits zum Präsidentschaftskandidaten für das Jahr 1993 nominierte.

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