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Achtung, Elchdung!

Die neue Serie „Ausgerechnet Alaska!“ startet auf RTLplus um 23.00 Uhr  ■ Von Harald Keller

Die Bewohner von Twin Peaks hatten recht viel Holz vor ihren Hütten. Auch im nördlichsten Bundesstaat der USA stehen bekanntlich viele Bäume herum, und prompt wird die heute beginnende Serie Ausgerechnet Alaska! mit Twin Peaks verglichen, nicht zur Unbill des ausstrahlenden Senders RTLplus, der verständlicherweise gern an den Erfolg des Kult-Hits anknüpfen möchte. Die Genealogie aber bringt anderes zutage.

Ausgerechnet Alaska! wurde entwickelt vom Autoren- und Produzententeam Joshua Brand und John Falsey, und zwar zu einer Zeit, als Laura Palmer noch lebte. Brand und Falsey sind Freunden guter Serienunterhaltung bereits bestens bekannt als Schöpfer von St. Elsewhere (als Chefarzt Dr. Westphall ebenfalls im Programm von RTLplus). St. Elsewhere beschreibt den Alltag in einem gewöhnlichen Stadtkrankenhaus unter Vermeidung jeglicher Groschenromanklischees. Die Kombination von ungeschöntem Realismus, bewegenden Soap-Elementen und rabenschwarzem Humor heben die mehrfach ausgezeichnete Serie über das Gros der üblichen, dramaturgisch gipsfüßigen Wunderheilerepen. Da landet auch schon mal ein Pferd in der Notaufnahme, treiben es die Assistenzärzte in der Pathologie oder eine schießwütige Schwangere nimmt ein Chirurgenteam als Geiseln, während der Patient geöffnet auf dem OP-Tisch liegt.

Ähnlich funktioniert Ausgerechnet Alaska!, das — wie St. Elsewhere — auf den Erlebnissen Lance Lurias basiert, der einst Zimmergenosse Josh Brands war, noch immer mit ihm befreundet ist und nach langjährigen Diensten in einer Ausbildungsklinik mittlerweile als Landarzt in Middleburg, New York, praktiziert. Ein Großstadtarzt bei den Hinterwäldlern, lautet die Formel, nach der hier gestrickt wurde. [Ich stricke nie nach einer Formel, sondern immer nach einem Muster?! Anm. d. S.] Neu ist sie nicht, noch im vergangenen Jahr strandete Michael J. Fox als Doc Hollywood in der ländlichen Idylle. Wie jener, ist auch Joel Fleischman (Rob Morrow) ein ehrgeiziger Jung-Mediziner mit akutem Karrieredrang. Als Gegenleistung für die staatliche Finanzierung seines Studiums muß Fleischman jedoch zunächst für vier Jahre dem Staat Alaska zur Verfügung stehen. Seine Hoffnungen, in der Polarkreis-Metropole Anchorage eingesetzt zu werden, zerschlagen sich rasch. Der Name seines Einsatzortes lautet Cicely, ein in den Wäldern verstreutes Örtchen, das einst von zwei liebenden Lesben gegründet wurde und dessen Bevölkerung 839 Menschen und einen Elch umfaßt.

Der Stadtmensch Fleischman, der schon beim ersten Spaziergang Fluchtinstinkte entwickelt, trifft in dieser Wildnis auf die aberwitzigsten Figuren, einen hippiesken Discjockey etwa, der auch Priester ist, einen Astronauten im Ruhestand, einen Wirt, der im Alter von 62 Jahren endlich Erfüllung seiner erotischen Bedürfnisse gefunden hat, und zwar in der Person der 18jährigen ehemaligen „Miss Nordwest-Passage“, sowie einen fernsehversessenen Indianer, der an seinem ersten Drehbuch arbeitet. Nach Angaben der beiden Schöpfer haben absonderliche Dorfgemeinschaften wie jene aus Local Hero und Mein Leben als Hund Pate gestanden für dieses Kuriositätenkabinett — geschmackvollere Vorbilder sind kaum denkbar. RTLplus zeigt heute den Pilotfilm der Serie, die ihren mit Elchdung aromatisierten Liebreiz allerdings erst im weiteren Verlauf der Geschichte offenbaren wird.

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