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Bremer Partner-Uni in Palästina wieder eröffnet

■ Die Schließung hat die Universität um Jahre zurückgeworfen

Als letzte der fünf palästinensischen Universitäten kann jetzt auch die Universität in Bir Zeit in der Westbank ihren Lehrbetrieb teilweise wieder aufnehmen. Mit der namhaften Hochschule, 25 Kilometer nördlich von Jerusalem gelegen, ist die Bremer Universität durch einen Kooperationsvertrag verbunden.

Seit Beginn der Intifada untersagten die israelischen Militärbehörden jeglichen Lehrbetrieb. der großzügige Campus, am Ortsrand des knapp 6.000 EinwohnerInnen zählenden Bir Zeit stand über vier Jahre leer. Nicht ganz unbegründet ist der Verdacht von Sumaya Parhat-Naser, in Hamburg promovierte Botanikerin, daß die DozentInnen der Uni den Militärbehörden zu politisch sind. Aus ihren Reihen rekrutieren sich mehrere der palästinensischen Delegationsmitglieder bei den Nahost-Friedensgesprächen.

Niemand weiß, ob die Öffnung als wahltaktisches Manöver gedacht ist — die Provokation der Likud Regierung durch ständige Schließungen von Schulen und Universitäten in den besetzten Gebieten wird von einem nicht geringen Teil der israelischen Bevölkerung abgelehnt, oder ob internationale Proteste Wirkung gezeigt haben. Auch ist die Angst vor erneuter Schließung immer noch da. Denn die Öffnung geht mit einer Reihe von Einschränkungen einher.

Bislang ist nur der naturwissenschaftlichen und der Fakultät für Ingenieurwesen die Rückkehr aufs Campus genehmigt. Die Geisteswissenschaften und die Betriebs- und Volkswirtschaft halten ihren Lehrbetrieb noch immer in kleinen Ersatzräumen im nahegelegenen Ramallah ab. Studierende aus dem Gazastreifen, von denen mehrere hundert täglich nach Bir Zeit pendeln, benötigen dafür eine Genehmigung. Und zwar sowohl eine für das Verlassen des Gazastreifens, als auch eine für den Aufenthalt in der Westbank.

Die heikelste Auflage ist sicherlich die Verfügung, daß die Universität für sämtliches Schriftmaterial auf dem Gelände verantwortlich ist. Das bedeutet, daß Flugblätter, Aufrufe, verbotene politische Schriften selbst in den Taschen der Studierenden neuen Anlaß zur Schließung bieten könnten.

Die lange Schließung hat Lehrende und Studierende in einigen Bereichen zurückgeworfen. Für knapp die Hälfte der damals 2.500 StudentInnen konnten Veranstaltungen in Ersatzgebäuden und heimlich in privaten Räumen der DozentInnen abgehalten werden. Trotzdem haben wegen der Behinderungen viele acht bis neun Jahre für einen Abschluß gebraucht. Eine ganze Reihe hat zwischendurch aufgegeben. „Uns beunruhigt vor allem, daß der Anteil an weiblichen Studierenden von 40 % auf etwas mehr als 20 % zurückgegangen ist“, sagt Penny Johnson vom öffentlichkeits-Büro.

Die Hälfte aller StudentInnen war während der Intifada im Gefängnis; der größte Teil ohne Gerichtsverfahren. Seit Januar diesen Jahres sitzt Omar Assai, ein Angehöriger der Bibliothek, im Gefängnis. Ein Beschluß zur Deportation ist bereits gefällt; internationale Menschenrechtsorganisationen versuchen die Ausweisung zu verhindern.

Einige der Projekte, die die Universität zur Versorgung der Bevölkerung unterhält, liefen weiter. So hat das Zentrum für Umweltschutz auch während der Schließung Trinkwasserkontrollen in den Dörfern vorgenommen und über Pflanzenschutzmittel aufgeklärt.

Als Reaktion auf die wirtschaftliche Krisensituation wird, von der EG gefördert, eine neues Projekt gegründet. Das „Institut für technische Unterstützung“ berät Unternehmensgründungen in der Westbank, sowohl bei Finanzierungsfragen als auch bei Fragen der Organisation. Es führt Fortbildungen für Arbeitskräfte oder Workshops zum Einsatz neuer Technologien durch.

Auch in diesem Jahr bietet die Universität das inzwischen traditionelle internationale Sommerprogramm an. Vom 20. Juli bis zum 30. August können arabische Sprachkurse und Kurse im Bereich Soziologie und Politikwissenschaften belegt werden. Die Unterkunft wird von der Universität in Wohnheimen organisiert. Wem der diesjährige Kurs zu kurzfristig ist, kann für das nächste Jahr Unerstützung beim DAAD (Deutscher Akademischer Auslandsdienst) beantragen. Uta Klein

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