Berliner Ring und Avus werden sechsspurig

■ Verkehrsminister Krause sieht »vordringlichen Bedarf« für weitere 85 Kilometer Autobahnen und Bundesstraßen in und um Berlin/ Kosten auf insgesamt 2,3 Milliarden Mark veranschlagt/ Heftige Kritik von Bürgerinititativen am »Autowahn«

Berlin. Für den Arbeitskreis Verkehr und Umwelt (Umkehr e.V.) wird der »Autowahn zementiert«, der renommierte Verkehrsplaner und Öko-Experte Hans Joachim Riesenberg spricht vom verkehrs- und umweltpolitischen »Wahnsinn mit Methode«: Bundesverkehrsminister Krause (CDU) hat jetzt im Grundsatz Grünes Licht für den Aus- oder Neubau von weiteren 85 Kilometern Autobahnen sowie Bundesstraßen in und um Berlin gegeben. Nach vorherigen Anmeldungen der Länder Berlin und Brandenburg im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 1992 stufte Krause die Betonprojekte als »vordringlicher Bedarf« ein. Deren Kosten belaufen sich laut einer Zusammenstellung des Arbeitskreises Verkehr auf die astronomische Summe von 2,3 Milliarden Mark.

Dem Arbeitskreis zufolge beurteilt der autoverliebte Verkehrsminister im einzelnen folgende Vorhaben als vordringlich: Den Ausbau des Berliner Autobahnringes (A 10) von vier auf sechs Spuren auf 26 Kilometer Länge; den Neubau einer sechsspurigen Autobahn (A 100) vom Dreieck Tempelhof über die Ballinstraße nach Treptow (5,2 km); die Verlängerung dieser Autopiste als A 113 zum Flughafen Schönefeld (zusätzliche 21 km); den Ausbau des Ringverbindungsstücks (A 115) ab Drewitz von vier auf sechs Spuren (18 km) und der B 5 in West-Staaken. Die verlängerte Heerstraße soll auf knapp 15 Kilometer von jetzt zwei auf vier Spuren verbreitert werden.

Dagegen erkannte das Ministerium Krauses lediglich für den sechsspurigen Ausbau der Avus von Anschluß Hüttenweg bis zum Zehlendorfer Kleeblatt sowie für eine Westtangente (vom Schöneberger Autobahnkreuz bis zum Landwehrkanal) keinen Bedarf an.

Nach Berechnungen des Umkehr e.V., einer Dachorganisation der Verkehrs-Bürgerinitiativen, gibt es im Westteil Berlins gegenwärtig Autobahnpisten von zusammen 46 Kilometern. Mit den weiteren geplanten Aus- und Neubauabschnitten werde die Stadt fast doppelt so viele Autobahnen erhalten, verdeutlichte der Zusammenschluß der Bürgerinitiativen in einer Erklärung die Projektdimensionen. »Stadtautobahnen und deren Anschlüsse ins Umland werden den Wochenendtourismus in die Mark Brandenburg massiv fördern, anstatt ihn auf umweltfreundliche Verkehrsmittel zu lenken«, begründete der Arbeitskreis seine heftige Kritik an dem »Autowahn«. Mit nur einem Bruchteil der Mittel aus dem Straßenbauetat ließe sich zum Beispiel endlich die Verknüpfung der S-Bahn-Radialen mit dem Außenring um Berlin realisieren. Ähnlich auch der Verkehrsplaner Hans Joachim Rieseberg gegenüber der taz: »Allein an solche Vorhaben zu denken, ist der totale Wahnsinn, weil damit bei den Autofahrern die Hoffnung erweckt wird, sie könnten mit dem Auto mobil bleiben, ja noch mobiler werden.« Selbst mit Hilfe des Beschleunigungsgesetzes werde der Ausbau des Autobahnringes um Berlin nämlich »nicht unter zwanzig Jahre« dauern. Der Planer: »Überlegen Sie mal, was dann los ist, wenn die Klimakatastrophe anfängt. Wir müßten im Grunde genommen ein Straßen-Reduzierungsprogramm fahren.«

Zumindest bei den Straßenbauvorhaben innerhalb Berlins ist mit einem kurzfristigen Baubeginn nicht zu rechnen. Von der Realisierung dieser Vorhaben sei man »sehr weit entfernt«, sagte der zuständige Referatsleiter für den Bundesfernstraßenbau in der Senatsbauverwaltung, Gerd Löwe. Er geht davon aus, daß bis zum ersten Spatenstich für die Autobahnverlängerung nach Treptow noch mindestens drei bis dreieinhalb Jahre verstreichen werden. Thomas Knauf