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ZWISCHEN DEN RILLEN VONTHOMASWINKLER

Die Wüsten sind immer noch wüst. Die Menschen, die dort wohnen, werden immer skurriler. Die Musik, die diese Menschen machen, wird immer obskurer. Aber daß sowas dem 'Spiegel‘ eine Geschichte wert ist? So geschehen mit Howe Gelb und seinen Giant Siand vor einigen Monaten. Howe Gelb hat einen kleinen Bruder namens Ricky, der seine Band, die eigentlich keine ist, Low Max benannte — das war der Spitzname, den er vom großen Buder bekam. Auch sonst schwebt der Schatten des großen Gelb wie ein Damoklesschwert über dem kleinen Ricky, ständig werden sie miteinander verglichen, und wir wollen da keine Ausnahme machen.

Beide gehen von countrylastigem Rock aus, der manchmal sehr derbe, manchmal sehr trocken, manchmal auch sehr eklektizistisch klingt, aber vor allem nicht mehr das sein will, was er ist. Beide stürzen sich in eine völlige Verformung der Strukturen, die aus einer Haßliebe zu dieser Musik geboren wurde, und kommen zu völlig verschiedenen Ergebnissen aufgrund verschiedener Vorgaben. Bei Giant Sand ist alles Destruktion, Auseinandernehmen und nur notdürftig Wiederzusammensetzen, kommt alles allein aus dem Kopf von Howe, der die gerade gegebene Bandstruktur (mal nur er und seine Gitarre und Schlagzeug, mal große Besetzung) nur als Folie benutzt, auf der seine Ideen sich manchmal zu sehr Bahn brechen können. Da enden die Riffs und Songs plötzlich und abrupt, trällert die dreijährige Tochter ein Stück, folgt einem Pophit ein endloser Monolog über die Qualen der letzten Tour und und und. Oft zuviel, oft wird der Grat überschritten, und die Teile bleiben wie unbearbeitete Fragmente liegen.

Bei Low Max ist Synthese das Prinzip, dienen die zum losen Projekt hinzugezogenen Musiker dazu, zusätzliche Soundfarben beizusteuern. Diese Musiker und damit ihre Musik können aus der nähesten und auch weitesten Umgebung kommen — räumlich wie musikalisch. Auf „From From A From“ sind dies Van Christian von Naked Prey, einer anderen Arizona-Band, Tom Larkins von Giant Sand, und neben anderen natürlich der Bruder. Von eigentlich zu weit her kommt Clive Stevens, Saxophonist bei McLaughlin, Billy Cobham und Miles Davis.

So ist „From From A From“ so etwas wie die Essenz des Arizona-Sounds und zugleich auch viel mehr. Manchmal gar in einem Stück: Die Platte beginnt mit „Well Kept People“, einer rauhen Klage mit fransigen Gitarren über einem stoischen Schlagzeug, die so auch von Naked Prey stammen könnte. Dann folgt „Catfish“ mit dem Kindermörder-Gesang von Christian und einer quietschenden Mundharmonika, kontrastiert durch einen fröhlichen LaLaLa-Background. Oder „Take From My Shelf“ ein völlig reduzierter, einfach nur trauriger Rocksong in klassischem Format, dessen Lücken mit einem unterkühlten Jazz-Saxophon gefüllt sind. Kein Song ist wie der nächste, zweimal singt Ricky Gelb gar nicht selbst, die einzelnen Teile scheinen oft — auch innerhalb der einzelnen Stücke — zu unverbunden, aber fallen komischerweise nicht auseinander.

Es ist ein Spiel mit diesen Kontrasten. Dem Kontrast der Soundfarben der einzelnen Arizona-Bands, dem Kontrast zwischen Wüstenrock und urbanem Jazz, der Kontrast zwischen dem Leid im Text und der aufgesetzten Fröhlichkeit des Backgroundchores, der Kontrast zwischen der Intimität des Themas (Diese Platte ist Dokument des Endes seiner Langzeitbeziehung, so Gelb) und der Menge der beteiligten Musiker. Ricky Gelb selbst ist hauptsächlich seine Stimme und eben die Fähigkeit, diese Kontraste zu versöhnen, ohne ihnen ihre Eigenschaften zu nehmen. Sein unglaubliches Gespür für das Machbare, sein Gespür, Gewöhnliches mit Gewöhnlichem zu verbinden, um Ungewöhnliches zu erhalten.

Nach dem Titelsong scheint eine neue Platte zu beginnen. Die letzten drei Stücke, eingeleitet mit den Worten „Going back to mysteries“, sind allesamt Balladen, zwei davon mit einer Geige verziert. Bei vollständiger Instrumentierung ist die Musik trotzdem sehr zurückgenommen, während die Stimme fast monologisierend, mehr erzählend als singend darüber liegt. Diese drei Songs atmen die traurigsten Momente sämtlicher bester Balladen der Popgeschichte, ob von Velvet Underground, den Beatles oder Townes van Zandt. Es ist, als hätte sich Ricky Gelb vom Vermächtnis seiner Herkunft, von Arizona, von seinem Bruder, erst frei machen müssen, um das zu tun, was er tun mußte. Es kann aber natürlich auch ganz anders sein.

Low Max: „From From A From“, Houses In Motion/EFA 06180.26

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