Rolle als Hoffungsträger schon verloren

■ Die Ruhegeld-Affäre mobilisiert die in der SPD tiefsitzenden Vorbehalte gegen Lafontaine

Von Herzen solidarisch sind eigentlich nur die Jusos. Die Affäre Lafontaine ist für sie eine feindliche Kampagne, und als „bestes Pferd im Stall der Partei“ begrüßte die Parteijugend den Ex-Kanzlerkandidaten und Fast-Parteichef der SPD auf ihrem Pfingsttreffen. Das meistzitierte Wort zum „Fall Lafontaine“ stammt jedoch von einem SPD-Altvorderen. Hans Apel: „Der Junge ist erledigt, er weiß es nur noch nicht.“

Polarisiert der saarländische Ministerpräsident seine Partei sogar im Niedergang? Nur an den Rändern. Denn die Stimme der Jusos wird Lafontaine in der SPD wie in der Öffentlichkeit so wenig nutzen, wie die Kritik aus Apels Lager ihn schert. Lafontaine bezeichnete seinen alten Kontrahenten Apel im Gegenzug als „gut versorgten Politpensionär“. Kennzeichnend sind schon eher die feinen Nadelstiche, etwa von Inge Wettig-Danielmeier. Die befand, daß für einen Politiker nicht unbedingt legitim sei, was legal sein mag.

Die Schatzmeisterin der SPD trifft nicht nur deswegen den Nerv, weil sie wie viele andere Grund zur Klage über den konfliktfreudigen Lafontaine und vielleicht zur allzu menschlichen Schadenfreude hat. Der tiefsitzende Vorbehalt einer breiten SPD-Strömung gegen den Polit-Star von der Saar ist mit der Affäre ein weiteres Mal mobilisiert worden. Es bestätigt sich, daß unklare Gehaltsstreifen bei dem gediegenen Hans-Jochen Vogel nicht denkbar sind, bei Hallodri Lafontaine aber doch. Die geschmähten Sekundär-Tugenden, das zeigt der Fall, haben eben doch ihren Wert.

Wortreiches Zerreden oder Schweigen, das ist hingegen das Reaktionsschema, mit dem die heute führende Schicht der SPD das Debakel ihres profiliertesten Politikers begleitet. „Ich vermute, daß solche Diskussionen emotional sehr tief gehen in der Bevölkerung“, antwortete Björn Engholm auf die Frage, ob die SPD durch die Diskussion um Lafontaine Schaden genommen habe. Ebensogut hätte er schlicht „ja“ sagen können, bestätigt er doch, daß es zwischen SPD, Lafontaine und Bevölkerung ein verwobenes und nun kräftig gestörtes Verhältnis gibt.

Bundesgeschäftsführer Karlheinz Blessings Bemühen um die Integrität Lafontaines offenbart blanken Zweckoptimismus: „Oskar ist ein Steher. Und da nichts hängenbleibt an wirklichen Vorwürfen, wird er auch dies durchstehen.“ Ob andere bezweifeln, daß nichts hängenbleibt? Während der Parteivorsitzende, die Pressesprecherin und der Geschäftsführer mit offiziellen Verteidigungsreden ihres Amtes walten, kommt aus den Reihen der Oskar- Anhängerschaft wenig. Doch womöglich zeigt sich daran nur, daß Lafontaine seine Rolle als Hoffnungsträger der SPD schon längst verloren hat. Ob Mehrwertsteuer oder Maastricht — Gerhard Schröder, Hans- Ulrich Klose, Heidi Wieczorek-Zeul gerieten mit dem einst führenden Enkel schon mehrfach in Zwist. Immerhin hat die leidige Angelegenheit die SPD in der Diätenfrage zu neuen Ufern geführt: Der Stein der Weisen ist gefunden, die unabhängige Diätenkommission beim Bundespräsidenten. Tissy Bruns, Bonn