: Das Wasser — ziemlich sinnlich
■ Imponierende Greenpeace-Ausstellung auf dem Schiff „Rübezahl“ in der Weser
Wie viele gutgemeinte, aber todlangweilige Ausstellungen jedes Jahr zusammengehauen werden! Wie viele sinnlos vollgeschriebene Stelltafeln nie in ihrem Leben einen einzigen Blick anziehen oder gar festhalten konnten! Das alles ist bei der großen „Wasser“- Ausstellung von Greenpeace ganz anders. Obwohl man doch meint: Wasser, klarer Fall, muß man eben sparen und reinhalten und achten womöglich, wg. Baustein des Lebens. Weiß man alles schon.
Die Greenpeace-Ausstellung spielt auf einem gewaltigen 70-Meter-Schiff in der Weser, an der Bgm.-Smidt-Brücke. Wer an Deck kommt, kriegt ein blaues Regencape an, denn das braucht jede. „Lassen Sie sich Zeit“, empfiehlt ein Eingansschild und hat recht. Düster ist der erste Raum unter Deck und groß. In der Mitte plätschert Wasser, wie eine Quelle. Aus Lautsprechern zwei Stimmen. Sanft und poetisch die des Mannes: über Quelle, See, Schnee, Eis, Hagel, Nebel, Regen, die Ruhe und ewige Bewegtheit des Meeres. Bürokratisch die Texte der Frau: von Güteklassen, behördlichen Entnahme-Erlaubnissen, Nutzung. Von oben fällt auf einmal sanfter Regen in den Raum und auf die blauen Capes; ganze Schulklassen ertragen das ohne Meuterei. Wasser: das spritzt, flüstert, rauscht, brodelt, quillt, sickert, spiegelt, braust, droht, belebt.
Eine ganze Halle im Schiffsbauch ist der nächste Raum. Rund 150 Liter Trinkwasser verbraten wir täglich für Klo, Dusche, Wäsche. Nur zwei Liter trinken wir. Zwei Liter hängen in Glasflaschen an der Wand, 15 Zink-Eimer auch: so viel. Und das ist nur der Privatbereich! Eine ganze Industrieanlage ist aufgebaut, mit Rohren und Flanschen und Rädern und Abfluß. Man sieht: Ausgerechnet zum Kühlen, also zur Energievernichtung, braucht die Industrie 62% ihres Wassers. Vier Eimer Wasser braucht man für ein Kilo Papier, 1.000 Eimer für nur 12 Silicium-Computer- Chips. Oft ist das feinstes Grundwasser, denn die Firmen haben eine „Entnahme-Genehmigung“. Zum Beispiel der Bremer Vulkan, jährlich für 1 Million Kubikmeter — natürlich nicht zum Trinken.
Über eine kleine Holzbrücke geht's an der Insdustrie vorbei zur Agrarwirtschaft. Ein Güllewagen pläddert aus dickem Rohr Nasses auf den Boden, das Zeug versickert im Boden, läuft in Kanäle und Flüsse. Maisreste liegen rum. „Die Erzeuger reden sich mit den Verbrauchern raus! „ sagt Dr. Ulrike Seip, Chemikerin, die die wissenschaftliche Begleitung der Ausstellung gemacht hat, „viele wissen gar nicht, daß Massentierhaltung und Wasserverseuchung einen Zusammenhang haben.“ Mais, praktisch, verträgt Unmengen Gülle und braucht Berge von Pestiziden. Als Ergebnis: ein Förderband ordentlich aufgereihter Kotletts, aus Gips und nicht etwa aus Plastik, direkt künstlerisch wertvoll. Schweinegrunzen aus dem Lautsprecher, Hacken und Pumpe in der Ecke, lange Listen mit Giften im Trinkwasser.
Halb unterirdisch, wie durch einen ausgeschachteten Kanal, gehts weiter mit dem Wasserweg, durch ein mannshohes Zementrohr, in dem man die Luft anhalten möchte vorsichtshalber. Undefinierbare Brühe in der Rinne am Boden, schmierige Wände. Die Techniker-Spreche kennt keine Flüsse, nur „Vorfluter“, um Abwäser einzuleiten. Täglich werden Flächen wie 120 Fußballfelder groß asphaltiert, versiegelt, der schöne Regen landet im Gully in der Weser in der Nordsee.
Der Kanal mündet in der Kläranlage, „wo's für die meisten auhört“, sagt Ulrike Seip. Nach dem Prinzip: Erst alles mixen, dann klären. Aufarbeiten, was hinten rauskommt, statt geschlossener, getrennter Kreisläufe.
Dann geht es, ja!, mit einem gewaltigen Grubenfahrstuhl ins Innere der Erde. Wirklich! Es rumpelt und bebt, am vergitterten Fenster ziehen die Erdschichten vorbei bis fast in 100 Meter Tiefe. Ausstieg. Hier, rund um den in den Fels gehauenen Steg, gibt es Wasservorräte, die tausende von Jahre alt sind. Und inzwischen auch angebohrt, verunreinigt. Zum Beispiel von den Hamburger Stadtwerken. „Anstatt die eigenen Vorräte zu schonen und giftfrei zu halten, plündern wir die Umgebung aus, Bremen zum Beipiel den Harz“, so Seip.
100.000 Mark hat diese Ausstellung gekostet, die auf dem Wasserweg bis Oktober in Städte der alten und neuen Bundesländer schippert. So direkt ansprechend, daß man sogar Lust hat, die Schrifttafeln zu lesen. S.P.
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