Bettelnde Kinder

■ Stadt Hannover: „Mißbrauch der Fürsorgepflicht“

Immer wieder wedelt das dunkelhaarige kleine Mädchen mit einem weißen Zettel und bettelt Passanten in der Fußgängerzone um ein paar Münzen an. Es ist höchstens zehn Jahre alt, trägt ein braunes Kopftuch und Sandalen. An der Hand zieht die Kleine die jüngere Schwester hinter sich her.

Von den flehenden Gesten und großen braunen Augen der beiden beeindruckt, kramen viele Vorbeigehende nach einem Geldstück. Neben einem Kaufhauseingang hockt eine Mutter mit ihrem Baby, zwei Ecken weiter spielt ein Achtjähriger stundenlang Akkordeon — ein alltägliches Bild in Hannovers City.

Die Stadt sieht der Kinderarbeit — die meisten flüchteten aus verschiedenen osteuropäischen Ländern und gehören zu den Sinti und Roma — machtlos zu. „Betteln ist keine Straftat, wir können deshalb nicht mit ordnungsrechtlichen Mitteln eingreifen“, erklärt Hannovers Pressesprecher Klaus Helmer. Die Polizei kann nach eigenen Angaben erst tätig werden, wenn Beschwerden vorliegen.

Betteln gehört für diese Flüchtlinge zur Tradition. Die Kinder sorgen damit selbstverständlich für den Lebensunterhalt der Familie. Die Hilfe des Jugendamts reicht von neuen Schuhen bis hin zur Aufklärung über hiesige Normen bei der Kindererziehung.

„Am besten kein Geld geben, da die Kinder sonst gleich wieder losgeschickt werden“, rät der Stellenleiter des Jugendamts, Holger Naue. Nach deutschem Gesetz könnten die Eltern wegen „Mißbrauchs der Fürsorgepflicht“ (§ 170 StGB) angeklagt werden — an ihrem Wohnsitz. Oft haben sie aber keinen festen Wohnsitz. Zudem, so der Jugendamts-Vertreter, müsse man den traditionellen Hintergrund dieser Volksgruppen sehen.

Wo die Polizei machtlos ist, kommt die Sozialarbeit: Zwei Mitarbeiterinnen des Jugendamts Hannover knüpften erste Kontakte zu den Bettelnden. Fast täglich laufen die beiden durch die Stadt, kümmern sich um die Kinder. Eva Haacke