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Wohnungseigentümer — Zwangsgemeinschaft der üblen Art

■ Wenn aus einem geplagten Mieter ein Wohnungseigentümer werden will: Die meisten Käufer von Eigentumswohnungen sind geschockt, wenn sie mit den realen Kosten des Eigentums konfrontiert sind/ Rechtsstreitigkeiten unter Eigentümern sind weit häufiger als unter Mietern

Fast 20 Monate war Thomas Kroll* auf Wohnungssuche. Dann hatte er »die Schnauze voll«, wie er sagte. Von seinen mageren Ersparnissen zahlte er den Grundstock für eine Eigentumswohnung in Lichterfelde, »direkt aus der Zeitung ausgesucht«. Denn die Makler-Werbung: »Nie mehr Miete zahlen« ist sehr verlockend und de facto auch richtig, denn Miete braucht er tatsächlich nicht mehr zu zahlen. Doch, so Thomas Kroll heute: »Ich hatte mir das alles nicht so genau überlegt.« Zwar fallen Mietzahlungen weg, doch die Miete wird ersetzt durch das Wohngeld. Derzeit zahlt Thomas Kroll mehr als 480 Mark monatlich für seine 90 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung.

Das hört sich, verglichen mit einer Mietwohnung, preiswert an. Doch was sich der Wohnungseigentümer nicht »so richtig ausgerechnet hatte, waren die Kapitalkosten«. Denn seine eigenen Ersparnisse waren für die Finanzierung längst nicht ausreichend. »Die Bank half mir da natürlich gern weiter.« Summa summarum, Wohngeld plus Kreditkosten, kommt Thomas Kroll heute auf eine monatliche Belastung von weit über 1.200 Mark. Und das noch für mindestens zweieinhalb Jahrzehnte. Bei dem Betrag werde es aber wohl nicht bleiben, bangt er. Denn das Wohngeld ist die Umlage der Wohnungseigentümergesellschaft für Kapitalrücklagen, Verwaltungs- und Betriebskosten und damit nach Bedarf steigerungsfähig.

Von den 1,7 Millionen Wohnungen in Berlin sind rund 147.000 Eigentumswohnungen oder Wohnungen in Einfamilieneigenheimen. Die meisten der Wohnungseigentümer seien »geschockt, wenn sie zum ersten Mal mit den tatsächlichen Kosten einer Wohnung konfrontiert sind«, erzählt der Sprecher des Haus- und Grundbesitzerverbandes, Dieter Blümmel. 70 bis 80 Prozent des Kaufpreises einer Wohnung machten die Kapitalkosten aus, sprich: der Bankkredit. Und zu den abschätzbaren Kredit- und Wohnungskosten kämen, nicht abschätzbar, in »aperiodischen Abständen noch Umlagen« auf die Wohnungseigentümer zu.

Diese unangenehme Erfahrung machte auch Dagmar Pohl*. Sie hatte Ende 1990 den Nachlaß ihres verstorbenen Vaters in Wohneigentum investiert. Kapitalkosten fielen kaum an, »da das Erbe für meine Begriffe beträchtlich war« und sie nur eine kleine Einzimmerwohnung gekauft hatte. Jetzt allerdings stellte sich heraus, daß in dem Steglitzer Altbau umfangreiche Dachreparaturen sowie eine Erneuerung der Abwasserrohre erforderlich seien. Eine Belastung, die für jeden Wohnungsbesitzer überschlägig »ungefähr 20.000 Mark bedeuten könnten«. Doch soviel Geld hat sie nicht. »Wahrscheinlich muß ich die Wohnung wieder verkaufen, weil ich das nicht zahlen kann.«

Auch das Potential an Konflikten ist nicht zu unterschätzen. Die Gerichte seien bei Wohnungsfragen nur zu etwa zehn Prozent mit mietrechtlichen Belangen beschäftigt, schätzt Dieter Blümmel. 90 Prozent beträfen Streit beim Wohneigentum. Denn in einer Wohnanlage mit Eigentümern gebe es mehr »Knatsch als im Mietshaus«, und zwar »bis zum Bundesgerichtshof«. In einer Wohnanlage scheinen sich viele Eigentümer wie kleine Duodezfürsten zu fühlen. Schließlich gehört ihnen ja ein teil des Hauses. Tendenz: in kleineren Wohnanlagen gebe es mehr Streitereien als in großen, so die Erfahrung des Haus- und Grundbesitzerverbandes. Dagegen habe bei »150 Eigentumswohnungen in einem Block ein guter Verwalter die Sache meist bestens im Griff«.

Gestritten werde um alles. Das beginne oft schon bei der Geschäftsordnung auf einer Eigentümerversammlung. Dann sei der Rasen vor der Tür für die einen ausreichend gepflegt, während die anderen sich Golfplatz- Ambiente wünschten. Die einen finden abgestellte Kinderwagen im treppenhaus in Ordnung, die anderen halten das für eine Zumutung, die einen grillen auf dem Balkon, den anderen wird davon schlecht — und jeder pocht auf sein Eigentumsrecht. Für Dieter Blümmel jedenfalls sind diese Querelen zwischen Wohnungseigentümern »ein Greuel allerersten Ranges«.

Was also spricht dafür, sich »zu verbessern«, und aus einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umzusteigen? Dieter Blümmel: »Ausschlaggebend sind im wesentlichen nicht rationale, sondern irrationale Gründe.« Zum Beispiel die Sicherheit, daß man nicht von einem Vermieter gekündigt werden könne. Und auch das Eigentum als Status spiele eine Rolle. Doch als Faustregel gilt auch für ihn: Mieten sei, betrffen die finanzielle Seite, immer günstiger als kaufen. Ausnahme: wenn der Wiederverkaufswert einer Wohnung verläßlich steigt. Doch die günstigen Zeiten, sich in Berlin eine Wohnung zu kaufen, sind seit 1989 vorbei. Durch einen Stop der Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen seien kaum noch preiswerte Objekte zu bekommen. Blümmel: »Der Markt ist wie leergefegt.« Wer allerdings zu dem Zeitpunkt schon eine Wohnung besaß, kann heute den großen Reibach machen. Der Grundbesitzerverband hat »Preissteigerungen von 1.000 Mark pro Quadratmeter und mehr« beobachten können. Andreas Lohse

*Die erwähnten Namen wurden von der Redaktion geändert.

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