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Altes Denken

■ In Washington treffen sich heute Bush und Jelzin zu Verhandlungen über atomare Abrüstung

Altes Denken In Washington treffen sich heute Bush und Jelzin zu Verhandlungen über atomare Abrüstung

US-Präsident Richard Nixon wartete bereits seit vier Tagen in Moskau. Das wichtigste Ereignis seines Gipfeltreffens mit KPdSU- Chef Leonid Breschnew, auf das die ganze Welt wartete, hatte noch immer nicht stattgefunden. Endlich, am fünften Tag, brachten die Chefunterhändler das fertig ausgehandelte Vertragswerk aus Helsinki in die sowjetische Hauptstadt. Noch am Abend unterzeichneten die beiden mächtigsten Männer der Welt SALT I, das erste Rüstungskontrollabkommen über strategische Atomwaffen.

Das war vor genau 20 Jahren, am 26.Mai 1972. Das erste offizielle Gipfeltreffen zwischen Nixons Nachfolger George Bush und dem russischen Präsidenten Boris Jelzin, das heute beginnt und auf dessen Tagesordnung ebenfalls Interkontinentalraketen und ihre Sprengköpfe stehen, wird sehr viel undramatischer verlaufen. Die Beziehungen zwischen Washington und Moskau haben sich grundlegend verändert. Ob am Ende jedoch die angestrebte Vereinbarung über strategische Waffen unterschrieben werden kann, ist so offen wie zu Beginn des Nixon-Besuchs in Moskau. Denn das grundsätzliche Problem, das einst die Unterhändler in Helsinki festhielt, blieb über die letzten 20 Jahre bestehen: das verschiedene Mischungsverhältnis boden-, see- und flugzeuggestützter Atomwaffen, denen in den Arsenalen beider Seiten jeweils unterschiedliche militärstrategische Bedeutung zukommt. Dieses Problem verzögerte den Abschluß des SALT-II-Vertrages von 1976 um viele Monate, den des START-Abkommens vom Juli 1991 um mehrere Jahre. Und die Außenminister Baker und Kosyrew bemühten sich bei mehreren Arbeitssitzungen in der letzten Woche vergeblich um eine Lösung.

Bis zur Auflösung der Sowjetunion Ende 1991 hatten die Vereinigten Staaten bei allen Rüstungskontrollverhandlungen, die unter den Bedingungen strategischer Parität geführt wurden, stets ein oberstes Ziel: die für Moskaus Militärstrategie besonders wichtigen landstationierten Interkontinentalraketen möglichst weitgehend zu dezimieren, die wichtigsten eigenen Atomwaffen — diejenigen auf U-Booten und Bombenflugzeugen — jedoch zu schonen. Schon beim START-Vertrag, der mit einer zunehmend schwächer werdenden Sowjetunion ausgehandelt wurde, konnte Washington dieses Ziel ein gutes Stück weit durchsetzen. Daß die Bush-Administration aber auch nach dem Ende der UdSSR in den Verhandlungen mit Rußland an diesem Ansatz aus der Zeit der globalen West-Ost- Konfrontation festhält, ist Ausdruck für altes Denken schlimmster Art. Dasselbe gilt für den Versuch, Jelzin mit der Vereinbarung über ein gemeinsames Frühwarnsystem bei Raketenangriffen dritter Staaten die Beteiligung an SDI und die Modifizierung oder gar Aufkündigung des Raketenabwehrvertrages (ABM) von 1972 aufzuzwingen. Die in Washington gezielt gestreute Behauptung, Grund für die Blockade bei den Gesprächen zwischen Baker und Kosyrew sei der „wieder gewachsene Einfluß konservativer Militärs in Moskau“, ist ein billiges Ablenkungsmanöver. Macht Bush so weiter, trägt er allerdings dazu bei, Jelzins außen- und abrüstungspolitische Spielräume zu verengen. Ist das vielleicht sogar gewollt? Andreas Zumach

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