: Mistakes here and there
Titelverteidiger Niederlande hält gegen die GUS nur ein 0:0 und Ruud Gullit geißelt Defensivfußball ■ Aus Göteborg Chr. Biermann
Rinus Michels war schon wieder gutgelaunt. „I'm still alive“, stelle er beruhigt fest und das schien das Wichtigste zu sein. Ein „exciting match“ hatte er auf seiner Trainerbank erlebt, „ein klassisches Fußballspiel“, mit „mistakes here and mistakes there“ wie er in wunderbarem Englisch erläuterte. „Und dann hat einer meiner Spieler kurz vor Schluß wohl gedacht, daß ich noch nicht genug Aufregung gehabt hätte. Und deshalb hat er den Ball zum Torwart zurückgespielt und das zu kurz. Na ja“, sagte es und lächelte wieder. Auch sein Gegenüber, GUS-Trainer Anatoli Byschowetz, war vom Spiel seiner Mannschaft ganz begeistert, sogar „fasziniert“.
Damit standen die beiden Trainer aber etwas allein. Im Laufe der 90 Minuten war nämlich nicht nur der holländischen Blaskapelle die Luft ausgegangen,
sondern auch dem Spiel. Wie schon gegen Schottland kombinierte die holländische Mannschaft zwar zunächst faszinierend. Als von Tiggelen und zweimal Bergkamp aber nicht trafen, stellte sich wieder Ratlosigkeit ein. Zumal diesmal der Gegner gepflegte Kombinationen aus dem Nachlaß sozialistischer Fußballschule vorführte. So waren es eher die „mistakes here and mistakes there“, die ab und zu noch für Aufregung sorgten und Trainerherzen höher schlagen ließen.
Die holländischen Fans verstummten mit ihren Vorbläsern, die Schweden versuchten es zunächst noch mit „Scheib, scheibu“ — Anfeuerungen für den Gegner — und flüchteten sich zum Schluß in Sprechchöre für ihre nicht anwesende Heimmannschaft. Auch Ruud Gullit, der von Michels im Rahmen torsuchender Ratlosigkeit gegen van't Schip ausgewechselt worden war, murrte nach dem Spiel mit.
Wie ein enttäuschter Künstler, dessen Kunstrichtung keine Anerkennung mehr findet, schlich er zum Bus und erneuerte seine Beschwerden über zuviel Defensivfußball der gegnerischen Mannschaft, machte das als Trend aus und zuckte mit den Achseln. Dann verschwand er im Bus mit dem Versprechen, wiederzukommen, und machte sich mit Eifer über das dortige Telefon her. Nachdem er es zuerst fast aus seiner Halterung gerissen hätte, hatte er die Situation dann doch im Griff, und bald hellte sich seine Miene auf.
Es gibt eben doch Schöneres, als mit Journalisten über Fußball zu reden. So blieb seine Beschwerde ohne weitere Präzision, eine Ansprache an den Trupp wartender Journalisten fiel aus. Doch Michels hatte noch ein gutes Wort zum Schluß: „Das Spiel gegen Deutschland war ein wichtiges, das wußten wir vorher. Und es bleibt ein wichtiges Spiel.“ Danke! In der völligen Klarheit der Tautologie dürfen sich wahrlich nur Meistertrainer bewegen.
GUS: Charin (Armeeklub Moskau) - Tschernyschow (Spartak Moskau) - Kantschelskis (Manchester United), Oleg Kusnezow (Glasgow Rangers), Onopko (Spartak Moskau) - Dobrowolski (Servette Genf), Michailitschenko (Glasgow Rangers), Zwejba (Dynamo Kiew), Alejnikow (FC Lecce - 57. Dimitri Kusnezow/Espanol Barcelona) - Juran (Benfica Lissabon - 66. Kirjakow/Dynamo Moskau), Kolywanow (US Foggia).
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