Kein Hort von Vergangenem, sondern Kern des Neuen

■ Karl Marx und Friedrich Engels haben auch mal klein angefangen/ Die verbliebenen Reste der DKP rappeln sich auf und träumen von der „kommunistischen Perspektive für ganz Deutschland“

Essen (taz) — „Wir sehen keinen Grund uns vom Kommunismus zu distanzieren, denn es gibt keinen Beweis für das Scheitern kommunistischer Grundüberzeugungen.“ Für Heinz Stehr weisen Marx, Engels und Lenin auch nach dem realsozialistischen Desaster den Weg aus der kapitalistischen Sackgasse. Nach wie vor, so fährt Stehr fort, sei die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln „zur Lösung der Menschheitsprobleme unabdingbar“. Daher, so der unbeschwert optimistisch auftretende Mittvierziger, „rührt meine Selbstsicherheit“.

Stehr gehört dem neugewählten vierköpfigen Sprechergremium der DKP an. Gerade erst hat die Partei eine Programmkonferenz mit heftigen Diskussionen hinter sich gebracht. Gestritten wurde um die Sinnhaftigkeit der bisherigen „antimonopolistischen Parteistrategie“ ebenso wie um die Frage, ob mit der DKP das Fundament der neuen marxistisch-leninistischen Partei schon gelegt sei. Auch der Kampf gegen die „Rechtsopportunisten“ und „Gorbatschowisten“, die mit ihrer These vom „Vorrang des Allgemeinmenschlichen gegenüber dem Klassenmäßigen“ einen verheerenden Virus in die kommunistischen Reihen gepflanzt haben, spielte eine Rolle. Zwar finden sich von dieser politischen Spezies kaum noch Exemplare in der auf 8.000 Mitglieder geschrumpften Partei, aber „starke Ungenauigkeiten und Widersprüchlichkeiten“ im Programmentwurf führen Parteivorstandsmitglieder wie Hans Peter Brenner immer noch auf den ideologische Verwirrung stiftenden einstigen Einfluß der „Rechtsopportunisten“ zurück.

Manche Altkommunisten fürchten schon, daß angesichts solcher Diskussionen am Ende niemand mehr da ist, um das kommunistische Banner weiterzutragen. Heinz Stehr teilt diese Sorge nicht, denn die jetzt noch verbliebenen GenossInnen sind sich nach seinem Eindruck bei allen Differenzen darin einig, „daß es in diesem Land eine kommunistische Partei geben muß“. Nicht als ein Hort des Vergangenen, „sondern als Kern des Neuen“. Im Interesse einer „zukünftigen einheitlichen revolutionären Partei in Deutschland“ denkt Stehr auch an „weitere Möglichkeiten“ für „das Zusammenwachsen der DKP mit anderen kommunistischen Kräften“. Dabei komme als Partner „dem auf revolutionären Positionen stehenden Teil der Mitgliedschaft der PDS und des Umfeldes der PDS Bedeutung zu“. Mit der „Kommunistischen Plattform“ in der PDS findet schon heute ein reger Meinungsaustausch statt.

Eine Vereinigung der DKP mit der PDS insgesamt ist dagegen für Stehr kein Thema. Das sieht der PDS-Bundesgeschäftsführer und Ex-DKPler Wolfgang Gehrcke genauso: „Alle Vereinigungsgedanken sind völlig auf Sand gebaut. Wir sind keine kommunistische, sondern eine plurale sozialistische Partei, und das soll auch so bleiben.“ Wie groß das um „Gorbatschowisten“ und „Rechtsopportunisten“ jeglicher Art bereinigte kommunistische Potential letztendlich ausfallen wird, steht dahin. Grund zur Resignation mag Parteisprecher Stehr nicht erkennen. Im Gegenteil: Marx und Engels hatten zu dem Zeitpunkt, „als sie das Kommunistische Manifest schrieben, wesentlich weniger Organisationskräfte und Mitglieder zur Verfügung“. Walter Jakobs