piwik no script img

»Die haben genug gelogen«

■ Die taz fragte auf dem Alex: Was halten Sie von dem spontanen Streik?

Gabriele Schimanski (37, Serviererin): Ich habe leider überhaupt nicht mitbekommen, daß gestreikt wird. Ich gönne ihnen natürlich schon die Lohnangleichung, aber ich glaube doch, es wird noch sehr lange dauern, bis alle die Versprechen eingelöst werden. Ich bekomme hier am Alex die Frustrationen der Kundschaft mit, die sind alle richtiggehend vergnatzt, unglücklich. Ich habe mit Schrecken festgestellt, daß fast achtzig, neunzig Prozent der Leute sich den alten Zustand zurückwünschen.

Friedrich Hempel (54, Fernmeldemonteur): Warum haben sie den 17. Juni als Feiertag abgeschafft? Ich habe 1962 über die Berliner Mauer rübergemacht, und ich finde den 17. Juni als Anlaß passend, einen bundesweiten Generalstreik einzuberufen. Das ist ein wichtiges Datum, denn was in der DDR passierte, darf nicht vergessen werden. Die Forderungen der Arbeiter finde ich angemessen. Der Lohnausgleich sollte sofort und umfassend erfolgen. Sonst haben wir hier bald bürgerkriegsähnliche Zustände.

Michael Zock und Andreas Elwig (33 und 31, Müllarbeiter): Wir stehen hinter den Forderungen der Ost-BVG. Obwohl die Zahlung ab Mai versprochen wurde, wollen die Arbeitgeber die 80 Prozent erst im Dezember zahlen. Die haben lange genug die Lüge geschoben mit den ganzen Prozenten. Und wenn die Kollegen sich jetzt nicht auf die Hinterfüße stellen, wird doch auch nichts passieren.

Nancy Schmidt und Sina Waigel (15, Schülerinnen): Also, wenn sie schon so hohe Gehälter kriegen wollen, dann müßten sie schon mehr machen. Auf die Straßenbahn warten wir immer 10 bis 20 Minuten. Und wenn sie dann kommt, kommen gleich mehrere hintereinander. Andere zum Beispiel sind jetzt arbeitslos. Ich finde, man sollte erst an die denken, bevor hier Löhne angeglichen werden.

Mirko Zaruba (25, Busfahrer): Ich streike, weil's mir bis da oben hin steht. Ich zahle zwei Drittel meines Gehaltes für Fixkosten im Monat, sprich Miete, Energie und soweiter; und wir sind ja noch nicht am Ende der Mieterhöhungen. Der Westberliner Busfahrer zahlt prozentual weniger, und die Arbeitsbedingungen sind auch unterschiedlich. Wir arbeiten die 42-Stunden-Woche, die im Westteil arbeiten 35 Stunden die Woche. Und was die Verspätungen betrifft: Bei dem wachsenden Verkehr, den man hier hat, ist doch kaum was zu machen.

Matthias Luther (19, arbeitslos): Also ich finde das voll gerechtfertigt. Die eiern doch da ewig rum mit ihren 60 Prozent. Ich würde ja in Berlin lieber alles andere sein als Busfahrer, so, wie der Verkehr ist... Fahr' doch mal um 16 Uhr die 100er Strecke ab. Die sollen den gleichen Lohn bekommen wie die im Westen. Umfrage: Mirko Heinemann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen