Eiskalte Geschichten

■ NDR-Intendant will ARD-Föderalismus aufgeben

Hamburg (taz) — Nein, über die Zeit danach möchte Jobst Plog nicht philosophieren. Aber Gedanken macht sich der NDR-Intendant schon über eine mögliche Auflösung der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands, kurz ARD, noch kürzer die dicke Eins. Einen Satellitenkanal hat er für den Norddeutschen Rundfunk schon mal belegt. „Man kann ja nie wissen, was kommt.“ Nichts mehr mit erster Reihe. Für Plog steckt die ARD in einer bedrohlichen Existenzkrise. „Wir merken an allen Stellen, daß die föderalen Strukturen nicht mehr tragen.“ Mit anderen Worten: die Einzelinteressen der inzwischen elf ARD-Anstalten sind nur noch sehr schwer in ein konkurrenzfähiges Gemeinschaftsprogramm umzusetzen. Die Privaten holen auf.

Zum Beispiel im Bereich der politischen Magazine. Fünf gibt es bisher, ein sechstes will jetzt der Mitteldeutsche Rundfunk produzieren. Ergebnis: der Exitus der Aktualität durch einen Sechs-Wochen-Rhythmus. Plog: „Bis zum Sendetermin sind die Geschichten kalt.“ Nicht konkurrenzfähig gegenüber Spiegel-TV, das allwöchentlich über den Bildschirm flimmert.

Oder das Gezerre um die Bundesliga-Übertragungen. Nach dem Sportschau-Putsch von Sat.1 ziehen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht mehr an einem Strang. Während eine Gruppe aus dem Bayerischen Rundfunk dazu drängt, die Zweitverwertung wahrzunehmen, will der NDR lieber die Kurzberichterstattung durchsetzen oder aber den Fußball ganz den Privaten überlassen. Die Gründe liegen auf der Hand: während in Bayern erst 60 Prozent der Haushalte Sat.1 empfangen können, sind es in Norddeutschland gut 90 Prozent. Da bleibt dem NDR kein Markt mehr für die Zweitverwertung. Eine Entscheidung über den Zankapfel steht nach wie vor aus. Auch für die ARD- Konferenz in der kommenden Woche in Bremen rechnet Plog nicht mit einem Ergebnis. Die Interessen sind zu unterschiedlich.

An der Weser will Plog seine wesentlichen Forderungen für eine Strukturreform der ARD erneut vortragen: Die Rolle der einzelnen Rundfunkanstalten innerhalb der ARD muß neu definiert werden. Nicht mehr eigene Beiträge aus Saarbrücken, Bremen, München oder Leipzig sind gefragt, sondern Gelder für ein zentral zu produzierendes Programm. Der NDR-Chef will „ein Gemeinschaftsprogramm, das diesen Namen wirklich verdient.“

Ende des Jahres übernimmt der NDR die Geschäftsführung in der ARD. Spätestens dann will Plog die Strukturreform auf den Weg bringen. Klappt das? Plog: „Bisher hat sich die ARD um die gravierenden Fragen herumgedrückt.“ Uli Exner