piwik no script img

Paiakan gibt Vergewaltigung zu

Caiapo-Häuptling wurde unter Hausarrest gestellt/ Anwälte fechten medizinische Untersuchungen an  ■ Von Astrid Prange aus Rio de Janeiro

Nach mehrtägigen Verhandlungen zwischen der Indianerschutzbehörde Funai und dem brasilianischen Justizminister Borja wurde am Mittwoch der Haftbefehl gegen den Häuptling des brasilianischen Indianerstammes Caiapo, Paulinho Paiakan, aufgehoben. Paiakan, der beschuldigt wird, seine 18jährige Nachbarin Silvia Leticia vergewaltigt zu haben, steht nun unter Hausarrest in einem Gebäude der Funai in der Stadt Maraba im Bundesstaat Para.

„Die Aufgabe der Funai ist es, zu verhandeln und ihre Schützlinge zu verteidigen“, erklärt Pressesprecherin Rosane Garcia. Erst im Laufe des Verfahrens werde sich rausstellen, ob der Caiapo die Verhaltensregeln der sogenannten Zivilisation so weit kenne, daß er von der „weißen Justiz“ verurteilt werden könne. Nach brasilianischem Recht stehen Indianer unter der Vormundschaft des Staates. Nur durch einen formellen Antrag können sie ihren Rechtsstatus verändern.

Im Fall Paiakan geht es jetzt um die gerichtsmedizinischen Untersuchungen. Zu den drei Medizinern, die zwei Tage nach dem Ereignis am 31. Mai die Vergewaltigung von Silvia Leticia bestätigten, gehört auch der Arzt Ederson Rezende. Ihn hat Paiakan wegen der Sterilisierung seiner Frau Irekran verklagt. Rezende hätte nach der Geburt der jüngsten Tochter vor einem Jahr eigenmächtig die Eileiter Irekrans durchgetrennt und dadurch den Traum des Häuptlings nach einem männlichen Nachfolger zerstört.

Der 37jährige Paiakan, ausgezeichnet mit dem UNO-Umweltpreis „Global 500“, hat bereits öffentlich zugegeben, das 18jährige Mädchen entjungfert zu haben. Allerdings sei dies ohne Gewalt geschehen. Die beiden hätten schon während der Grillparty miteinander geflirtet. Auf dem Nachhauseweg habe er dann die Müdigkeit seiner Frau, die im Auto eingeschlafen war, ausgenutzt, um mit dem Mädchen zu schlafen. Die Verletzungen am Körper des Mädchens stammten von seiner Frau, die wach geworden sei und Silvia Leticia angegriffen habe.

Einem Bericht der brasilianischen Tageszeitung 'Jornal do Brasil‘ zufolge üben die Caiapos eine große Anziehungskraft auf die weibliche Bevölkerung der Stadt Redencao, die an das Indianerreservat grenzt, aus. „Mit ihrem Geld und ihren Neuwagen angeln sich die Indianer hübschere Frauen als die Weißen“, erklärt Roberto Calvacante, Besitzer einer Diskothek und eines Stundenhotels in Redencao.

Die Caiapo, zu denen auch die Häuptlinge Raoni und Tutu Pombo gehören, sind einer der reichsten Indianerstämme Brasiliens. Tropische Edelhölzer im Wert von etwa 120 Millionen Dollar befinden sich im 32.000 Quadratkilometer großen Reservat im Süden des Bundesstaates Para. In Redencao kommen die Caiapo für 40 Prozent der Steuereinnahmen der Stadt auf und beschäftigen eine beträchtliche Anzahl der Einwohner als Holzfäller und Goldwäscher.

Unterdessen empörte sich Häuptling Raoni, Onkel von Paiakan, in einer zweieinhalbstündigen Fernsehdiskussion: „Bis jetzt ist auch noch kein Weißer, der eine Indianerin vergewaltigt hat, vor Gericht gestellt worden.“ Außerdem sei es bei den polizeilichen Untersuchungen zu Unregelmäßigkeiten gekommen.

Der gleichen Ansicht ist Funai-Pressesprecherin Rosane Garcia. „Paiakan ist von der Presse schon verurteilt worden. Und was ist, wenn sich zum Schluß seine Version als die richtige rausstellt?“ Die Zeitschrift 'Veja‘, die mit der Veröffentlichung der Geschichte die Teilnehmer des UNO-Umweltgipfels in Rio schockte, weist die Zweifel als „von Ökoschiiten verursachte Rauchschwaden“ zurück. Das Magazin hat bereits ein weiteres Opfer von Paiakans sexueller Gewalt in Redencao ausgemacht, dessen Namen es vorsorglich unter Verschluß hält. Für 'Veja‘ ist der Mythos vom edlen Wilden nichts als Heuchelei: „Paiakan war niemals der gute Wilde. Zu seinem großen Unglück hat er ein Verbrechen begangen. Das ist alles.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen