Die unberechenbare Macht für Bezirkspolitiker

■ Streit um Zählverfahren Hare-Niemeyer/ CDU geht vor Gericht / In einigen Bezirken stehen Bürgermeister fest

Berlin. Die Wahlen zu den Bezirksämtern kommen nur schleppend voran. Streitpunkt: Soll bei der Besetzung der Stadtratsposten nach dem d'Hondt- oder Hare-Niemeyer-Verfahren vorgegangen werden? In Wilmersdorf mußte am Donnerstag die Wahl zum Bezirksamt über die Sommerpause verschoben werden, nachdem sich SPD, FDP und AL für das Hare-Niemeyer- Verfahren ausgesprochen hatten. Es begünstigt grundsätzlich kleinere Parteien. Dagegen legte die Wilmersdorfer CDU Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein. Während sie nach d'Hondt auf vier Stadtratsposten käme, würde sie durch Hare-Niemeyer einen Stadtratsposten an die FDP oder die »Republikaner« verlieren. Auch in Zehlendorf, wo SPD, FDP und AL und die WUB am Donnerstag für Hare-Niemeyer votiert hatten, wurden von der CDU juristische Schritte eingeleitet. Hier würde durch Hare-Niemeyer die absolute Mehrheit der CDU im Bezirksamt gebrochen werden. In Kreuzberg hatte bereits am Mittwoch der rechtliche Einspruch der Reps die Wahl des Bezirksamtes verhindert: Sie beharren auf Hare-Niemeyer, um den siebten Stadtratsposten mit ihrem Kandidaten zu besetzen. Der Regierende Bürgermeister Diepgen erklärte gestern gegenüber der taz, er halte das Hare-Niemeyer- Verfahren für »rechtswidrig«. Er hoffe, daß die Anwendung dieses Verfahrens durch die SPD »nicht zu einer wirklichen Belastung der Großen Koalition« werde. Diepgen plädierte dafür, sich strikt an das bisherige Verfahren nach d'Hondt zu halten.

In mehreren Bezirken wurden am Donnerstag die Bürgermeister und zum Teil auch die Bezirksämter neu gewählt. In Steglitz entschied sich die AL überraschend für den CDU-Baustadtrat Herbert Weber als neuen Bürgermeister. Grund: Die Zusage der CDU, den Zuschnitt der Ressorts nicht zu verändern, so AL-Landesgeschäftsführer Norbert Schellberg.

Während in Steglitz das Bezirksamt komplett ist und seine Arbeit aufnehmen kann, scheiterte die Zusammenstellung im Wedding an den rechtsextremen Reps. Ihre Kandidatin für das Ressort Umwelt und Veterinärwesen wurde kurz vor der geplanten Wahl von der eigenen Fraktion gekippt. Der Kandidat der Reps muß nun auf einer Sondersitzung nachgewählt werden. Neuer Bürgermeister wurde hier Jörg-Otto Spiller (SPD). Glück für die Charlottenburger Bürgermeisterin Monika Wissel (SPD): Mit Hilfe der FDP und AL setzte sie sich gegen Axel Rabbach von der CDU durch.

In drei östlichen Bezirken stehen seit Donnerstag ebenfalls die Bürgermeister fest: In Mitte stimmte eine Zählgemeinschaft von SPD und CDU für den SPD-Kandidaten Gerhard Keil. Die PDS als stärkste Fraktion hatte auf einen eigenen Kandidaten verzichtet. Für den bisherigen Bürgermeister von Friedrichshain, Helios Mendiburu (SPD) votierte eine Zählgemeinschaft aus SPD, CDU und Bündnis Friedrichshain. Das Bezirksamt wird aller Voraussicht auf der nächsten BVV am kommenden Mittwoch komplett gewählt werden. Ein neues Gesicht auf dem Bürgermeisterposten erhält dagegen Köpenick: Nachfolger von Monika Höppner (SPD) wird ihr Parteikollege Klaus Ulbricht. sev