„Auch die Deutschen müssen gefragt werden“

■ Aktionsbündnis gegen Maastricht in Vorbereitung/ UmweltschützerInnen, PazifistInnen und Linke diskutieren eine gemeinsame Plattform/ Die KritikerInnen der Maastrichter Verträge befürchten den Aufbau eines „neuen eisernen Vorhangs“ gegen EinwanderInnen

Berlin (taz) — „Wir müssen verhindern, daß die Entmachtung des Souveräns über dessen Kopf hinweg betrieben wird“, heißt es in dem Entwurf, den an diesem Wochenende zahlreiche VertreterInnen des linken politischen Spektrums in Freiburg diskutieren wollen. Ihr Ziel ist es, auch in der Bundesrepublik eine Volksabstimmung über die Maastrichter Verträge zu organisieren. Dahinter steckt nicht die Absicht, die EG grundsätzlich abzulehnen, erklärten einzelne TeilnehmerInnen des Kongresses „Alp-Traum Europa“. Vielmehr wollten sie ein differenziertes „So nicht!“ herausarbeiten. „Wir müssen ausloten“, heißt es in einem Vorbereitungspapier, „auf welchen Gebieten eine Europäisierung erforderlich ist, und wo das Verlagern politischer Entscheidungen auf die europäische Handlungsebene den Interessen der sozialen Bewegungen zuwiderläuft“.

Ursprünglich hatte der Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen (BAKJ) den Kongreß geplant, um die rechtlichen Veränderungen in EG-Europa kritisch zu durchleuchten. Zwölf Arbeitsgruppen sollten die von der Linken bestbeäugten EG-Themen von der Asyl- über die Entwicklungspolitik bis hin zum gemeinschaftlichen Umweltrecht unter die Lupe nehmen. Doch dann kam das überraschende „Nein“ der DänInnen zu den Maastrichter Verträgen dazwischen. Jetzt sei, so urteilt einer der Organisatoren des Kongresses, Christian Rath, endlich auch in Deutschland die Stimmung reif für die Diskussion über die Verträge.

Kaum war dies erkannt, liefen auch schon die Faxe in alle Himmelsrichtungen. Titel: „Nein zu Maastricht im Volksentscheid“.

Wider das Primat der Ökonomie

Auf zwei Seiten faßt der „Entwurf für eine Plattform“ die wesentlichen Argumente der GegnerInnen zusammen: Die Maastrichter Verträge verbauten den „Weg in ein demokratisches Europa für die Zukunft“; sie enthielten „weitreichende Eingriffe in das deutsche Verfassungsgefüge“; sie seien beherrscht vom „Primat der Ökonomie“ und machten einen „sozialen und ökologischen Umbau der europäischen Gesellschaft unmöglich“. Als besondere Schwachpunkte nennt das Papier die „Halbherzigkeit auf dem Weg in die Sozialgemeinschaft“, den Aufbau eines „neuen eisernen Vorhangs“ gegen EinwanderInnen und die „vollständige Ausblendung der Entwicklungen in Osteuropa“. Die in den Verträgen beabsichtigte Europäisierung der „Sicherheitspolitik“ führe dazu, daß eine demokratische Kontrolle über den Militärbereich völlig unmöglich werde und einem „militärischen Interventionismus Tür und Tor“ offen stünden.

Gegen dumpfe Nationalismen

Im Rahmen des Volksentscheids sollten auch Alternativen entwickelt werden, heißt es in dem Papier. Dabei gelte es, sich gegen „dumpfen Nationalismen abzugrenzen und Perspektiven für eine demokratische Ausgestaltung Europas aufzuzeigen“. Die Demokratisierung Europas erschöpfe sich jedoch nicht in Rechten für das Europaparlament, vielmehr müsse herausgefunden werden, wo Dezentralisierungen und wo die Verlagerung von Kompetenzen nach Europa sinnvoll seien. Ein „unitarischer Bundesstaat Europa“, führe „zwangsläufig zu einer Verschlechterung von Mitbestimmungsrechten“.

Die Resonanz auf den Aufruf war ausgesprochen positiv. Zwei Parteien wollen einsteigen: Grüne und PDS. Aus der Umweltbewegung wollen sich der „BUND“ und die mit über 2 Millionen Menschen mitgliederstärkste deutsche Öko-Organisation, der „Deutsche Naturschutz Ring“ (DNR), an einem Aktionsbündnis beteiligen. Weitere VolksabstimmungsbefürworterInnen sind die „Initiative Demokratie entwickeln“ (IDEE), das „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ und das „Rüstungsinformationsbüro“.

Europa auf die Agenda der Linken

Die Meinungen der einzelnen Gruppen zu den Maastrichter Verträgen ist breit — sie reichen von „Nachverhandeln“ bis hin zu „völlig kippen“. Gemeinsam ist ihnen, daß sie die Gunst des Moments nutzen wollen, um das Thema Europa endlich auf die Agenda der Linken auch in der Bundesrepublik zu setzen. „Wir dürfen das Feld nicht den DeMark-NationalistInnen überlassen“, sagt ein Teilnehmer. „Maastricht betrifft uns alle.“ Dorothea Hahn