piwik no script img

Neulich...

■ ... im Schwimmbad: Der Wasserrammler, die Tümmlerin, die verschwommene Gesellschaft/Fräsen oder Sozialschwimmen

Im Schwimmbad ist es wie im Leben, bloß spritziger. Im Wasser spiegelt sich nämlich, zwar himmelblau, aber immerhin durchsichtig, unsere ganze verschwommene Gesellschaft und ihr Hauptwiderspruch: Der Mann! Die Frau!

Seht zuerst den Mann, die Männer: wie sie spritzen — wie sie das Wasser dreschen, als wollten sie Mus draus machen und aus der ganzen Welt gleich mit. Hilfe, da kommt wieder einer, in Deckung! Ein Walroß mit vier Scherblättern fräst sich durch's Naß, als ob das arme Element was dafür könnte. Ha, ist dem kraulenden Wasserdrachen nicht alles Widerstand im Leben, den es zu beseitigen gilt? Also kurzer Prozeß: Hau wech den Scheiß! Gib dem Wasser Saures! Lieblich zappelnde Kindlein kriegen Fontänen vor den Latz, so daß sie ertrinken. Zögert da etwa die Fräse? ZÖGERN ETWA FRÄSEN?? Durch da! Opas schnappen verständnisvoll nach Luft und kämpfen mit der Heckwelle, während der Held die Oma ins Wasser rammt. Blickdichte Taucherbrillen sind auch nicht zum Sehen da! Und am Beckenrande wird gewendet wie weiland bei der Olympiade, der Bademeister sieht's mit Stolz und pfeift der Kleinen, die neben den Kopf des Siegers sprang.

Jetzt aber zu den Frauen: das Geschlecht der zierlichen Plätscherinnen. Seht, wie sie sich die Hälse abdrehen, um neben, vor und hinter sich ein Stückchen freies Wasser zu erhaschen. Das ist das Sozialschwimmen der Damen. Schonend auch zur Dauerwelle und zum Bikini, der verrutschen möchte. Ist ein Stückchen Wildbahn frei, hält die Frau hübsch vorsichtig Kurs und das Make-up über Wasser, damit sie ihr Gesicht nicht verliert. Gerne zieht sie sich wieder aufs Badelaken wie in ihr Fell zurück. Das bedeutet allerdings vorher: raus aus dem Wasser und rupfend und zupfend wieder eintauchen in die Blickwelt. Schließlich hat es da zwei Hitze-Pickel über dem linken Schulterblatt. Und wenn wieder drei Schamhaare wie letztes Mal unten rauskucken, dann doch lieber weiterschwimmen bis ans Ende aller Tage!

Gerade hat die Arme unter Qualen die Leiter verlassen, da erklimmt die Fräse die unterste Stufe und schraubt sich schnaubend zur vollen Höhe hinauf, rotzt noch ein wenig ins Wasser, schüttelt seinen Bart wie ein triefender Hund und wirft den Bauch als herrlichen Anker an Land. Sehen ihn auch alle? Ohja, alle sehen ihn. Haben auch alle gesehen, wie er sich vorhin mit einem klippentauglichen Köpfer in das unglaublich kalte Wasser geworfen hat? Ohja, und wenn nicht gesehen, dann doch gefühlt; genug gespritzt hat es ja.

Und da liegen sie nun beide auf ihren Tüchern, und die Frau ißt einen Apfel und der Mann Landjäger.

Claudia Kohlhase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen