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Nur zwei Farbtupfer im Formatgrau

Lizenzen für den Kampf gegen den „Ätherschmutz“ sind weiterhin rar  ■ Von T.Wezel und M. Busche

Radio Dreyeckland aus Freiburg feiert in diesem Monat seinen 15. Geburtstag. Die erste erfolgreiche Initiative für ein freies Radio ist, neben RadioZ in Nürnberg, einziger Farbtupfer in der grauen Landschaft des privaten Hörfunks. Es sind zwei Stationen, bei denen auch abgeschaltet werden darf. Denn hier geht es nicht um Werbung — die eigenwilligen HörerInnen, der größte Feind des „Formatradios“, sind hier ganz bürgerlich im Förderverein organisiert. Neben der Unabhängigkeit bietet diese bürokratische Struktur den Vorteil, daß die HörerInnen zugleich Eigentümer des Radios sind, was sie zur Beteiligung nötigt. Die vielgelobten Aushängeschilder des Alternativfunks sind hingegen nur ein kleiner Teil der diversen Initiativen, die im westlichen Bundesgebiet für einen „dritten Weg“ kämpfen. Allerdings sind sie im Besitz einer gültigen Sendelizenz, von der die anderen bislang nur träumen dürfen.

Das Lokalradio München (LORA) könnte als nächstes zu den stolzen Lizenzbesitzern gehören. Auf dem Münchner Lokalradiomarkt werden seit April die Karten neu gemischt. Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) hat die Neuausschreibung für die derzeit fünf Frequenzen veranlaßt. Realistische Chancen bestehen für LORA jedoch nur, wenn zusätzlich ein „Experimentierkanal“ ausgeschrieben wird. Alle anderen Frequenzen dürften wohl erneut an die derzeitigen kommerziellen NutzerInnen vergeben werden, handelt es sich doch bei den Neuauschreibungen lediglich um einen formalen Akt. So kann sich in Bayern der private Hörfunk endgültig etablieren, bisher durfte nur auf Grundlage des „Medienerprobungsgesetzes“ (MEG) gesendet werden. Bereits zur Einführung des MEG, 1986, hatte LORA einen Lizenzantrag gestellt, der jedoch abgelehnt worden war. Diesmal baut LORA auf die Zusammenarbeit mit dem Kulturradio Feyerwerk und einem Münchener Ökoverlag. Mit einstündigen Nachrichten, Umwelt-, Kultur- und Musiksendungen wollen die MacherInnen die „Ätherverschmutzung“ bekämpfen. Bis zur möglichen Lizenzierung müssen sich Interessierte mit dem „Telefon-Radio“ unter 4802851 begnügen. Eigenartigerweise gibt es im schwarzen Süden die besten Chancen für alternativen Lokalfunk. Je weiter man sich den SPD-regierten alten Bundesländern nähert, desto frustrierender liest sich die Geschichte der Radioinitiativen. Im sozial-liberal regierten Rheinland- Pfalz laufen die Medienuhren sogar rückwärts. Mit dem neuen Landesmediengesetz fiel die Möglichkeit lokaler UKW-Hörfunkfrequenzen einfach unter den Tisch. Opfer dieser Novellierung wurde Radio Quer, eine Anbietergemeinschaft aus 17 lokalen Gruppen und Vereinen. Radio Quer stammt aus Mainz und Wiesbaden und ist somit eine Besonderheit im alternativen Lokalfunk. Denn die AlternativfunkerInnen hatten damit die Möglichkeit, sich sowohl in Hessen als auch in Rheinland-Pfalz zu bewerben. In Hessen gibt es jedoch nur Frequenzen für landesweite Anbieter, Lokalfunk ist rechtlich nicht vorgesehen. Diese Möglichkeit wurde Radio Quer jetzt auch in Rheinland-Pfalz genommen.

In Nordrhein-Westfalen haben sich die SPD-Medienpolitiker eine so naive wie aufwendige Regelung der Bürgerbeteiligung im Hörfunk ausgedacht. Die „15-Prozent-Regelung“ sieht eine Sendezeitzwangsabgabe an gemeinnützige Vereine für jeden privaten Anbieter vor. Diese Sendezeit wird aus dem sonst so knappen Staatssäckel gefördert. Unerhört gemeinnützig ist nach diesen Regelungen beispielsweise der „Förderverein Lokalrundfunk Ruhr-Mitte“, eine der Industrie- und Handelskammer nahestehende Gruppierung. Zielsetzung dieses Wortungetüms ist es, „Wirtschaftsthemen unterhaltsam und verständlich zu erklären“. In die Röhre schaut dabei das „Unabhängige Radio Bochum“ (URBO), das schon jahrelang über Lokalradio informiert hat: „Jetzt kommen überall Trittbrettfahrer aus ihren Löchern und schnappen uns die Sendezeiten weg.“

In Niedersachsen besteht zumindest ein wenig Hoffnung. Dort werden bereits zwei größere Sender illegal betrieben, mehrere Gruppen von Hörfunkenthusiasten haben sich zu einer „Interessengemeinschaft Gemeinnütziger Hörfunk Niedersachsen“ (INGEHN) zusammengeschlossen. Gründungsinitiator Thomas Muntschick (Radio Erkenbrecher) will „Druck ausüben auf die schläfrige rot-grüne Landesregierung, damit die medienpolitische Koalitionsvereinbarung über die Einrichtung nichtkommerzieller Lokalradio-Modellprojekte auch wirklich umgesetzt wird“.

Zwei Radiowüsten: Hamburg und Berlin

Hamburg hätte vor kurzem noch die Hälfte dieses Artikel füllen können. Die aussichtsreiche Bewerberin, radio st.pauli, stand bereits mit einem Bein im Sendebetrieb, als die Hamburgische Anstalt für neue Medien (HAM) Angst vor der eigenen Courage bekam und den Antrag ablehnte. Die Folgen waren auch für das Projekt fatal. Nach internen Grabenkämpfen mutierte die Initiative zu Radio LORETTA und dem feministischen Projekt Radio St.Paula. Die Chancen auf eine eigene Lizenz sind zur Zeit für beide Projekte gering.

Ebenso trostlos sieht es in der neuen Hauptstadt aus. Berlins professioneller Linken-Sender, Radio 100, wurde nach heftigen Grabenkämpfen um eine Konzernbeteiligung in den Konkurs geführt und mußte 1991 den Betrieb einstellen. Ein seichter Musiksender unter Federführung eines französischen Lokalfunk-Multis bekam die Frequenz. Das neugegründete Basisradio, das sich als „links von Radio 100“ kennzeichnet, ist vorerst noch auf den Vertrieb von eigenproduzierten Kassetten angewiesen. Und der neue Medienstaatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg hat, was das gemeinnützige Radio angeht, nur vage „Kann-Bestimmungen“ zu bieten.

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