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■ RadiodaysSONNTAG

Bisweilen rechnen die SFB3-„Passagen“ gerne mit dem Vorurteil ab, vom elfenbeinernen Sendeturm aus elitäre Literatengeschmäcker zu bedienen. Heute beispielsweise räumt die Redaktion einem wichtigen alltagspolitischen Beitrag seinen Platz ein. Ab 9.45 Uhr bietet der von Autor Paul Kohl bearbeitete Bericht Hans Joachim Riesebergs Viel Kraft und wenig Werk einen Einblick in den schwierigen Alltag derzeitiger Ost- West-Zusammenarbeit. In erlebter Rede — also erklärtermaßen subjektiv — stellt der Westberliner Umwelt- und Energieplaner Rieseberg seine Sicht einer unmöglichen Kooperation mit ostdeutschen Kollegen dar. Als Ökologe sollte er im Auftrag von Unternehmen Gutachten über die Verseuchung von Geländen anstellen, auf denen sich die jeweiligen Firmen ansiedeln wollten. Sein Weg über die Mülldeponie Werneuchen, die maroden Industrieanlagen in Lauchhammer bescherten ihm bittere Erfahrungen: Aus Angst vor jedweder Veränderung versuchte etwa die Lauchhammer-Geschäftsleitung, in „derselben T-förmigen Schreibtischsitzordnung, als sei nichts geschehen“, unpraktikable Projekte durchzuziehen. Der engagierte und unbequeme Gutachter dagegen wurde nach einigen Monaten entlassen. Ein heikles Thema also. Wenn die Furcht vor unsensiblen „Besser-Wessis“ die ostdeutschen Bürger in eine Selbstbehauptung durch strukturellen Status quo manövriert, was dann? Die Lage ist vertrackt und kann nicht pauschal beurteilt, kommentiert und gelöst werden. Hoffnung auf Entkrampfung der Fronten liegt eigentlich nur in der Betrachtung des Einzelfalls, wie hier. Und das darf durchaus auch mal subjektiv geschehen.GeHa

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