Ostdeutsche Kirche in der Krise?

■ Debatte zum „Selbstverständnis der Christen in der Demokratie“/ Evangelische Landeskirche ruft ihre Amtsträger aus der Politik zurück/ „Immer mehr engagierte Christen verlassen die Kirche“

Dresden (taz) — Will sich die Evangelische Kirche Ostdeutschlands in die Politik einmischen? Versteht sie sich als eher konservative oder als emanzipatorische Kraft?

Antworten suchte am Freitag in Dresden eine Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Leipziger Stiftung Runder Tisch. Daß dieser Versuch beinahe zum sächsischen Pfarrer-Konvent geriet, wertete Tagungsleiter Christof Ziemer als „Zeichen offenkundigen Bedarfs“ an diesem brisanten Thema, das „leider nicht innerkirchlich angeregt, sondern von außen auf den Weg“, aber während der Debatten „nicht scharf genug auf den Punkt gebracht“ wurde.

Der Platz der Kirche sei an der Seite der Schwachen. Soweit waren sich die sächsischen ChristInnen einig. Christof Ziemer sprach von dem Konflikt, daß die Kirche zwar „prädestiniert zur Einmischung“ sei, daß von ihr aber auch Hoffnung erwartet werde. Nicht einem „Götzen der Ausgewogenheit“ solle die Kirche folgen; „unmißverständlich“ müsse sie ihre Ortsbestimmung vornehmen.

Pfarrer Edelbert Richter provozierte Widerspruch mit seiner These, daß die DDR-Kirche dem „Zeitgeist“ gefolgt war, als sie sich Ende der sechziger Jahre auf die Formel „Kirche im Sozialismus“ einließ, was Hoffnungen auf eine „Gesellschaft mit menschlichem Antlitz“ ebenso bedient habe wie „traditionellen, deutschen Untertanengeist“.

Einer, der sich mit Politik eingelassen hat, ist Pfarrer Heiner Sandig. Der CDU-Abgeordnete und stellvertretende Landtagspräsident hält das „für nichts Besonderes“. Die Kirche solle zur Bindung an Parteien ermutigen und Gemeindeglieder befähigen, ein Amt zu übernehmen. Ihm sei es eine „Horrorvorstellung, wenn wir im Osten auch bald nur Politiker bekämen, die nichts anderes gelernt haben“.

Sachsens Evangelische Landeskirche sieht ihre Pfarrer jedoch nicht so gern auf Parlamentsfraktionen verteilt. Oberlandeskirchenrat Jürgen Bergmann verkündete die aktuelle Amtsmeinung: Politik sei ein „auch den Christen aufgetragener Verantwortungsbereich“, der durch christlichen Dienst an der Allgemeinheit ausgefüllt werde. „Deutliche Spannungen zwischen kirchlichem und politischem Mandat“ würden ein Doppelamt ausschließen. Aber die Kirche könne es sich „nicht leisten“, gute Leute zu verlieren.

Nicht über Ämter, sondern über die „Kirche in der Krise“ sprach Maria Jacobi, Mitarbeiterin im Ökumenischen Zentrum Dresden. Nötig sei eine „weltweite subversive Bewegung in der Kirche“, die sich an Feminismus und Theologie der Befreiung orientiere. Statt dessen würden heute „Christen im Namen ihrer Religion alles begründen“: Waffengeschäfte und Friedenskampf, Flüchtlinge beherbergen und Flüchtlinge ausweisen. Immer mehr engagierte ChristInnen „kehren der Kirche resigniert den Rücken“. dek