Ein Mercedes verfolgte Klaus Landowsky

■ Parlamentarischer Ehrenrat lud 13 Abgeordnete zur Stasi-Überprüfung/ Der Ort blieb nicht geheim/ Außer Bündnis 90/ Grüne und Neuem Forum sind alle Fraktionen betroffen/ FDP-Abgeordneter kritisiert Gauck: »Beweislast umgekehrt«

Berlin. CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky fühlte sich verfolgt, als er gestern früh von seiner Wohnung zur Europäischen Akademie in der Bismarckallee fuhr. Um die Mercedes-Limousine abzuschütteln, die nicht aus seinem Rückspiegel verschwand, kehrte Landowsky noch einmal um, kaufte sich am Hagenplatz eine Zeitung, steuerte erneut die Akademie an und parkte einige Meter entfernt von seinem Ziel.

Das Vorhaben mißlang. Der Verfolger — ein SFB-Reporter — ließ sich nicht abhängen. Doch die konspirative Energie, die der CDU-Politiker an den Tag legte, paßte gut zu der Tätigkeit, der Landowsky zusammen mit den anderen Vorsitzenden der im Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen gestern nachgehen mußte. In der Akademie an der Bismarckallee tagte der Ehrenrat, der über die Stasi-Belastung von Abgeordneten beraten sollte — eigentlich sollte der Ort geheim bleiben. Dreizehn Abgeordnete, über die die Gauck-Behörde etwas zu berichten gehabt hatte, lud der Ehrenrat vor. Bis weit über 22 Uhr sollten die Beratungen andauern.

Die Namen der Betroffenen waren im Laufe der letzten Monate und Tage durchgesickert. Vorgeladen wurden Christian Zippel und Fritz Niedergesäß von der CDU, die FDP- Abgeordneten Axel Kammholz, Reinhard Klein, Wolfgang Mleczkowski und Gerhard Schiela und der SPD-Mann Joachim Schmidt. Drei PDS-Abgeordnete — Norbert Pewestorff, Wolfgang Girnus und Dagmar Pohle — hatten bereits im letzten Sommer öffentlich Stasi-Kontakte eingeräumt. Jetzt wurden auch ihre Fraktionskollegen Dieter Klein und Bettina Pech vorgeladen.

Als stark belastet gilt der fraktionslose Abgeordnete Michael Czollek, der deswegen auch kürzlich aus der PDS-Fraktion ausgeschlossen wurde. Er soll laut Gauck handschriftliche Berichte über Freunde und Bekannte verfaßt haben. Pewestorff fühlte sich dagegen, wie er gestern sagte, durch den Gauck-Bescheid entlastet. Die Behörde fand Eintragungen über ihn nur noch in der sogenannten »Kerblochkartei«, in der keine Mitarbeiter aufgenommen wurden, sondern Personen mit »feindlich-negativer Einstellung«.

Als entlastet konnte sich auch Mleczkowski fühlen, gegen den zuletzt ein ehemaliger Weggenosse Stasi-Vorwürfe erhoben hatte. Mleczkowski, der bis 1976 DDR- Bürger war, hatte sich 1968 von der Stasi werben lassen, die auf diesem Weg an seinen in Westdeutschland lebenden Bruder herankommen wollte. Seine Aufträge führte er jedoch laut Stasi-Akte »nicht aus«. Er habe damals seine Familie aus der »Schußlinie« nehmen wollen, erklärte der Abgeordnete gestern. Auch Fritz Niedergesäß ging gut gelaunt in den Ehrenrat. Einige wenige Stasi-Kontakte habe er lediglich 1971 bis 1974 wegen einer »Havarie« beim Bau einer Autobahnbrücke gehabt, an dem er beteiligt war.

Kritik an Gauck kam vom FDP- Abgeordneten Kammholz. Über ihn hatte die Aktenbehörde geschrieben, er sei vom militärischen Nachrichtendienst der DDR »erfaßt« worden. Ob er ausgespäht wurde oder selbst für den Dienst tätig war, gehe daraus nicht hervor. Kammholz bestritt eine Agententätigkeit und beklagte, mit dem Bescheid werde ihm »die Beweislast aufgebürdet«. Der Abgeordnete hielt es für möglich, daß der Geheimdienst ihn ausspähen wollte. Grund: Als Mitarbeiter des Bundeskartellamts hatte er mit der Übernahme von Dornier und MBB durch Daimler-Benz zu tun. hmt