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Schiebung mit Molière?

■ 1991 ist der henschel-Theaterverlag mit Geldern der PDS gegründet worden. Ein Fall mehr für die Treuhand!

Zu Zeiten des SED-Regimes war sein Monopol unanfechtbar. Bei henschel erschienen in der DDR die wichtigen Bücher zu kulturellen Themen. Auftragsgemäß soll die Treuhandanstalt den traditionsreichen Verlag verkaufen — eigentlich ein nicht weiter aufsehenerregender Vorgang im wiedervereinigten Deutschland. Doch im Falle der henschels liegen die Dinge ein wenig anders. Es fängt damit an, daß sich inzwischen zwei Unternehmen hinter dem alten Namen verbergen. In einer sogenannten »Ausgründung« aus dem Mutterbetrieb entstand im Mai 1990 der »henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag«. 68 Autoren und Übersetzer haben sich zu einer Autorengemeinschaft zusammengeschlossen, um in Eigenregie ihre selbstgeschriebenen Bühnenstücke zu verlegen. Mit von der Partie sind namhafte Köpfe wie Peter Brasch, Christoph Hein, Heiner Müller und Lothar Trolle. Wie kurz vorher im Falle des »Buchverlags« haben sich auch hier Autoren in einer GmbH organisiert. Als Gesellschafter brachten sie eigenes Kapital ein und sind jetzt Besitzer ihres Unternehmens.

Diese GmbH-Gründungen gehörten zu den ersten Privatisierungen nach der Wende. Mangelnder Pioniergeist ist nicht zu beklagen, nur wurden die Privatunternehmer gewisse politische Erblasten nicht ganz los. 1951 war der Verlag durch eine Schenkung Eigentum der SED geworden. Als sich die Mitarbeiter zur GmbH-Gründung entschlossen, überließ die PDS dem Betrieb die Verlagsrechte und das Inventar im Wert von 2,25 Millionen Mark als Darlehen. Damit gehört henschel weiterhin zum sogenannten Parteivermögen und unterliegt nach dem im Februar 1990 erlassenen Parteiengesetz treuhänderischer Verwaltung. »Wir können die GmbH nicht als Existenzgründung anerkennen, weil da kein eigenes Kapital eingebracht wurde«, sagt in der Treuhandanstalt Direktor Dierdorf, zuständig für die Abteilung »Sondervermögen«. Da henschel seit längerem rote Zahlen schreibe und kurz vor dem Konkurs stehe, suche man händeringend nach einem kapitalkräftigen Investor. »Nur mit einer deftigen Finanzspritze ist henschel überhaupt noch zu retten.«

Als derzeitiger Eigentümer ist die Treuhand an dieser Misere allerdings nicht ganz unschuldig. »Hier wird nach der bewährten Methode der Politik der verbrannten Erde verfahren«, sagt ein Kenner aus Wirtschaftskreisen, der lieber anonym bleiben möchte, »wahrscheinlich wird henschel gegen den symbolischen Preis von einer Mark veräußert werden.« Anstatt Gelder für die neue Produktion zur Verfügung zu stellen, wurde das verlagseigene Grundstück und die Immobilie in der Oranienburger Straße aus dem Gesamtvermögen herausgegliedert. Wegen der deshalb mangelhaften Liquidität wird der Verlag auf der Frankfurter Buchmesse nur mit zwei Titeln vertreten sein.

Über mögliche Kaufinteressenten hält man sich bei der Treuhand bedeckt. Gerüchteweise ist Bernd Lunkewitz im Gespräch, der bereits 1991 den Aufbauverlag und die Weltbühne erworben hatte. Aber auch er stellt Bedingungen: »Ich halte henschel für einen äußerst wertvollen Bestandteil der Berliner Verlagslandschaft. Da die Treuhand sich aber weigert, Gelder aus dem Parteivermögen für die Sanierungskosten zur Verfügung zu stellen, werde ich den Verlag mit Sicherheit nicht übernehmen.«

Im Märchen ist es der Kleine und Schwache, der sich gegen Drachen und übermächtige Könige zur Wehr setzt. Die henschels mit dem kleinen »h« wollen auf keinen Fall das Handtuch werfen und bieten dem Goliath Treuhand mutig die Schriftstellerstirn. »Wir können zur Zeit zwar nur mit Selbstausbeutung überleben, aber mit 22.000 Mark Gewinn bei einem Umsatz von 1,5 Millionen für das Jahr 1991 stehen wir als neugegründeter Betrieb vergleichsweise gut da«, sagt Geschäftsführer Wolfgang Schuch, und seine Autoren drohen: »Wenn ‘henschel SCHAUSPIEL‚ verkauft wird, ziehen wir unsere Rechte zurück!«

Die Treuhand reagiert gelassen. Denn sie hält den Verdacht für ausreichend begründet, daß die sich Autoren durch die Hintertür Parteigelder unter den Nagel reißen wollten. »Meines Wissens nach sind die Herren Shakespeare und Molière schon seit längerem tot«, konstatiert Dierdorf mit Blick auf die alten Textbücher, die zum Zeitpunkt der Ausgründung aus dem Buchverlag übernommen wurden und deren Wert auf 60.000 Mark geschätzt wird. »Diese Summe müssen wir erst mal überprüfen. Möglicherweise wären die Verleger ohne dieses Altkapital gar nicht überlebensfähig.«

Seit dem 15. April dieses Jahres steht die Geschäftsführung des Theater-Verlags unter Kuratel. Überweisungen größeren Stils müssen von der Treuhand abgesegnet werden, was die westlichen Retter des Parteivermögens nicht beliebter macht. Der Eifer, mit dem hier Reste des Parteivermögens über Monate geprüft und dabei unternehmerische und künstlerische Initiative abgeblockt werden, erinnert inzwischen auch westliche Kollegen an die Machenschaften der Funktionäre eben dieser Partei: »Aus der alten Fremdbestimmung ausgetreten, werden wir nun einer neuen Fremdbestimmung unterworfen. Institutionen, die unfähig scheinen, Schiebungen alter Seilschaften aufzudecken, halten sich schadlos an einer demokratischen Neugründung«, heißt es in einer Protestnote an die Treuhand, der sich inzwischen Peter O. Chotjewitz, Dario Fo, Günther Rücker, Peter Turrini sowie verschiedene Verlage angeschlossen haben. Unterschrieben hat auch der Verlag der Autoren Frankfurt/Main, der den Ost-Autoren als Vorbild für ihr Organisationsmodell gedient hat. Jantje Hannover

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