: „Unter dem Schutz des Geheimdienstes“
Schalck-Golodkowski vor dem bayerischen Schalck-Ausschuß: Goldenberg hatte Stasi-Rückendeckung ■ Aus München Th. Scheuer
Der legendäre Ost-West-Händler Simon Goldenberg ging seinen teilweise dubiosen Geschäften in der DDR „unter dem Schutz des Geheimdienstes“ nach. Dies sagte der frühere DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski am Donnerstag vor dem Schalck- Untersuchungsausschuß des bayerischen Landtags in München aus. Schalck wurde ausschließlich zum Komplex Goldenberg vernommen. Der ist für den bayerischen Schalck- Ausschuß von besonderem Interesse, da er ein enger Freund und Geschäftspartner des verstorbenen Schlachtviehbarons und Strauß-Intimus Josef März war.
Als einer der großen Ganoven im Schieber-Eldorado des Nachkriegsberlin entzog sich Goldenberg anfangs der 50er Jahre der Strafverfolgung durch die westlichen Behörden durch Übertritt in den Ostsektor. Unter den Fittichen der Stasi avancierte er dort vom Schieberpapst zum Repräsentanten namhafter Westfirmen in der DDR, darunter der Gebrüder März GmbH. Zu den zahlreichen Westbesuchern in Goldenbergs Büro gehörte laut Schalck auch das als Nazi-Jäger bekannt gewordene Ehepaar Serge und Beate Klarsfeld. Auf die Frage, ob Klarsfelds Informationen, Geld oder gar Aufträge — etwa zur Kiesinger-Ohrfeige, wie ein CSU- Abgeordneter sogleich wissen wollte — von Goldenberg erhielten, mußte Schalck passen.
Im Frühjahr 1976 siedelte Goldenberg, als sei das zu jener Zeit das Selbstverständlichste der Welt gewesen, samt Familie und Vermögen zu seinen Spezln ins bayerische Rosenheim über. Obwohl die Generalbundesanwaltschaft Karlsruhe wiederholt, zuletzt 1984, Ermittlungen gegen Goldenberg wegen nachrichtendienstlicher Agententätigkeit mangels Beweisen einstellte, halten sich hartnäckig die abenteuerlichsten Gerüchte über Geheimdienstaktivitäten Goldenbergs — östliche wie westliche. Er selbst streitet bis heute selbst jede Geheimdienst-Connection ab.
Daß Goldenberg zu DDR-Zeiten eben doch unter dem Schutzschirm der Stasi agierte, gab nun Schalck- Golodkowski zu Protokoll. Der muß es wissen, denn Goldenbergs Ostberliner Firma Simon G. Industrievertretungen war „außenhandelspolitisch“ Schalcks Sonderbehörde „Kommerzielle Koordinierung“ angegliedert. Betreut wurde Goldenberg laut Schalck aber direkt von Markus Wolfs Stellvertreter in der HVA, dem Stasi-Generalmajor Hans Fruck.
Auch nach seinem Wechsel in die BRD sei Goldenberg mehrmals in der DDR gewesen. Im Herbst soll Goldenberg, der nach Recherchen der taz erst kürzlich sein Domizil wieder von München nach Berlin verlegte, vor dem Münchner Untersuchungsausschuß Auskunft geben.
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