: Leukämie durch AKW? Verdacht erhärtet
■ Sozialministerium in Hannover bestätigt Bremer Physikerin
Die Hinweise auf Radioaktivität als Ursache für die Leukämiefälle in der Elbmarsch haben sich verdichtet. Bei vier von fünf untersuchten Eltern leukämiekranker Kinder sind in Blutproben überdurchschnittlich viele Veränderungen am Erbmaterial gefunden worden. Das Sozialministerium in Hannover wertete die Ergebnisse am Freitag als „noch nicht statistisch abgesicherten Beleg“. Sie seien jedoch erneut sehr ernstzunehmende Anzeichen für das Vorliegen einer Strahlenbelastung aus den nahegelegenen Atomanlagen.
In Frage kommen dafür das Atomkraftwerk Krümmel und die Forschungsanlagen der Gesellschaft für Kernenergieverwer
tung in Schiffbau und Schiffahrt (GKSS) bei Geesthacht. Der erneute Nachweis von vermehrten Verformungen bei Chromosomen in Blutzellen habe den Anfangsverdacht erhärtet, daß die Ursache für die bisher insgesamt sieben Leukämieerkrankungen bei Kindern in der Samtgemeinde Elbmarsch möglicherweise bei den kerntechnischen Anlagen zu suchen sei, sagte Ministeriumssprecher Thomas Steg. Die gemeinsam von Niedersachsen und Schleswig-Holstein eingeleiteten Untersuchungsprogramme für Kinder sollen jetzt auch auf 40 Erwachsene ausgedehnt werden.
Bereits im vergangenen Jahr hatte die Bremer Physikerin Inge Schmitz-Feuerhake bei den Ge
schwistern der leukämiekranken Kinder sogenannte „dizentrische Chromosomen“ nachgewiesen. Die Wissenschaftlerin leitete auch die Blutuntersuchungen bei den fünf Eltern. Die Veränderungen in den Erbanlagen können laut Sozialministerium nicht weitervererbt werden und lösen auch unmittelbar keine Krankheit aus. Bedeutsam sind sie als Hinweis auf eine überhöhte radioaktive Strahleneinwirkung, die wiederum der Auslöser für Leukämie sein könne, erläuterte Steg. Die betroffenen Eltern seien am Donnerstag abend von zwei Ärzten über die Ergebnisse unterrichtet worden.
Die Untersuchungsergebnisse der in der Fachwelt umstrittenen Bremer Wissenschaftlerin sind vor der Bekanntgabe laut Sozialministerium von Professor Günter Obe vom Essener Universitätsinstitut für Humangenetik als korrekt bestätigt worden. Das Sozialministerium und die von der Landesregierung eingesetzte unabhängige Expertenkommission haben umgehend beschlossen, das Untersuchungsprogramm in zur Ursachenforschung für die Leukämie jetzt auch auf Erwachsene auszudehnen.
Neben einer Gruppe von 72 Kindern, davon 30 aus einer normalen Vergleichsregion (Plön), sollen auch je 20 Erwachsene aus der Elbmarsch und einer Vergleichsregion auf Erbgutveränderungen untersucht werden. Statistisch abgesicherte Ergebnisse sollen dann in etwa einem Jahr vorliegen. dpa
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