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Konflikt um Klitoris-Beschneidungen

■ Eine niederländische Studie rät zu Teillegalisierung bei Beschneidung von Immigrantinnen

Amsterdam (ips) — Die Klitoris-Beschneidung von Frauen, eine in einigen Ländern Afrikas übliche, sonst aber heftig umstrittene und mit hohen Gesundheitsrisiken verbundene Sitte, soll in den Niederlanden für Immigrantinnen legalisiert werden. Dies empfiehlt eine kürzlich veröffentlichte Studie. Im Gegensatz zu Schweden, der Schweiz und Großbritannien gibt es in den Niederlanden keine gesetzliche Regelung, die die Klitoris-Beschneidung verbietet. ExpertInnen gehen aber davon aus, daß Beschneidungen nach den geltenden Bestimmungen gegen den Mißbrauch von Kindern verfolgt werden können.

Koos Bartels und Ineke Haaijer, AutorInnen der Untersuchung unter fast 2.000 in die Niederlande geflohenen somalischen Frauen und Mädchen, teilen zwar die gesundheitspolitische Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Im Gegensatz zur WHO, die für ein weltweites Verbot der umstrittenen Praxis eintritt, kommen sie in ihrer Studie allerdings zu anderen Schlußfolgerungen. Statt eines ausdrücklichen Verbots schlagen sie der Regierung in Den Haag vor, zwischen verstümmelnden und nicht- verstümmelnden Formen der Beschneidung zu unterscheiden und die Durchführung des Eingriffs nach bestimmten Regeln und durch Ärzte zu gestatten.

Die Beschneidung junger Mädchen ist eine vor allem im Sudan, in Somalia, Nigeria und Mali übliche Praxis. Die gebräuchlichste und zugleich radikalste Form ist die „Infibulation“, bei der die kleinen Schamlippen entfernt werden und die äußeren Schamlippen vernäht werden. Dabei bleibt nur eine kleine Öffnung für das Harnlassen und das Menstruationsblut zurück. Neben den psychischen Folgen für die betroffenen Frauen kann diese Form der Beschneidung zu schweren gesundheitlichen Komplikationen beim Urinieren, bei der Menstruation, beim Geschlechtsverkehr und bei späteren Geburten führen. In Frankreich starb im vergangenen Jahr ein Mädchen aus Mali an den Folgen einer Klitoris-Beschneidung.

Nasiima, eine in der Studie befragte Somalierin, erklärte, viele Frauen aus ihrem Land wünschten die Beschneidung ihrer Töchter. „Das ist unsere Tradition, die wir mit uns tragen und die ein Teil von uns ist.“ Ohne Beschneidung gäbe es keine Garantie für die Jungfräulichkeit eines Mädchens, die als Voraussetzung für eine Ehe gilt, meinte Nasiima. Insgeheim würden somalische Frauen auch im Ausland nach Wegen suchen, um ihre Töchter beschneiden zu lassen.

Durch die in der Studie vorgeschlagene Zulassung der „Inzision“, einer weniger drastischen Form der Beschneidung, soll nun der von vielen somalischen Frauen empfundenen religiösen Pflicht Genüge getan werden, ohne die Gesundheit der Betroffenen aufs Spiel zu setzen.

Anderer Meinung ist der ugandische Schriftsteller Sey Wava. Er sieht in dem „Glauben an die Beschneidung“ vor allem ein Generationsproblem. Die meisten älteren Frauen würden sich wegen „der Gehirnwäsche, der sie unterzogen wurden“, nicht als Opfer fühlen. Eine Legalisierung der Klitorisbeschneidung in den Niederlanden lehnte Wava vehement ab: „Es handelt sich um eine Frage der Menschenrechte, in der es keine Kompromisse geben kann.“

Für ein striktes Verbot sprach sich auch Marcel Reyners, Mitglied der gynäkologischen „Beratungsstelle für Mütter und Familienplanung“ aus. Jede Form der Beschneidung müsse als Mißbrauch von Mädchen betrachtet werden, forderte der Arzt. Reyners bezweifelte, daß sich die Befürworterinnen der Praxis mit einer symbolischen Beschneidung zufriedengeben würden. Das hieße, somalische Mädchen müßten sich gleich zweimal einer Beschneidung unterziehen, einmal in Holland und ein zweites Mal nach einer eventuellen Rückkehr in ihre Heimat. Sollte der Vorschlag im Herbst von der Regierung übernommen werden, wären die Niederlande das einzige europäische Land, in der die Klitoris-Beschneidung, wenn auch in gemilderter Form, zugelassen ist. Guido de Bruin

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